Sind wir nicht alle handysüchtig? Dass dem nicht so ist, haben wir in unseren Blogbeiträgen über die Smartphone Habits und den Smartphone-Reflex gezeigt.
Das heißt jedoch nicht, dass sich unsere Handynutzung komplett problemlos gestaltet. Wer sich von seinem Smartphone zu sehr in den Bann ziehen lässt, hat unter Umständen mit folgendem zu kämpfen:
- Ablenkung im Straßenverkehr bis hin zu Verkehrsunfällen
- Schulter- und Nackenschmerzen (Smartphone-Nacken)
- Schlafstörungen oder Schlafmangel
- Schwierigkeiten bei der Konzentration, beim Lernen und Arbeiten
- Psychische Probleme wie beispielsweise Fear of Missing Out (FoMO), Nomophobie oder Phantom-Vibration
Handysüchtig oder App-süchtig?
Aber was fesselt uns eigentlich so sehr an dieses kleine technische Gerät? Es gibt viele Verwendungsmöglichkeiten und Funktionen für ein Smartphone. Welche davon mit einem problematischen Nutzungsverhalten verbunden sind, dazu steckt die Forschung jedoch noch in den Kinderschuhen.
Der Molekularpsychologe Prof. Dr. Montag hat in einem unserer Webinare zu bedenken gegeben, dass das Smartphone lediglich als Medium für Inhalte wie Instagram und Snapchat fungiert. Das hat er mit einer Metapher verdeutlicht: Alkoholabhängige sind auch nicht süchtig nach der Flasche, sondern nach ihrem Inhalt. Gibt es also überhaupt eine Handysucht? Oder wäre das smarte Telefon ohne Apps und ohne Internet komplett harmlos in Bezug auf sein Suchtpotential? Müssen wir uns vielleicht vielmehr darauf konzentrieren, welche Apps Menschen mit einem problematischen Handyverhalten nutzen?
Der US-amerikanische Psychologe Jon D. Elhai hat sich genau diese Frage gestellt. Gemeinsam mit anderen Psycholog*innen hat er untersucht, welche Inhalte oder welche Nutzungsarten des Smartphones ein hohes Suchtrisiko bergen. Mit dem cleveren Telefon lässt sich bekanntermaßen einiges anstellen: Erinnerungen einrichten, E-Mails schreiben, Informationen suchen, ziellos im Internet surfen, Nachrichten lesen, soziale Kontakte und Netzwerke pflegen, Musik hören, Unterhaltung genießen, Spiele spielen, Filme gucken, Shopping, Rechnungen bezahlen, Adressen finden, das Wetter checken und vieles mehr.
Handysüchtig: Content versus Social
Die mobile Internetnutzung kann in zwei Hauptkategorien eingeteilt werden:
- Soziale Nutzung (zum Beispiel Messenger und soziale Netzwerke)
- Content-Nutzung / Prozessuale Nutzung (zum Beispiel News, Musik, Filme und Spiele)
Das Team um Elhai war mit den bisherigen Forschungsergebnissen nicht zufrieden, da sie widersprüchlich sind. Eine Studie ergab, dass die problematische Nutzung von Smartphones mit der prozessualen, aber nicht mit der sozialen Nutzung zusammenhängt. Während eine andere Studie das Gegenteil feststellte. Andere Untersuchungen haben ergeben, dass die soziale Nutzung bei problematischen Smartphone-Nutzern wesentlich häufiger vorkommt als die Nutzung von Content. Schließlich ergab eine andere Studie, dass die problematische Nutzung von Smartphones sowohl mit der prozessualen als auch mit der sozialen Nutzung zusammenhängt. Die Verbindung für die prozessuale Nutzung war jedoch stärker.
Jetzt bist du verwirrt? Keine Sorge, wir auch. So ist das manchmal in der Wissenschaft. Studienergebnisse sind unter anderem davon abhängig, welche Stichproben man erhält oder wählt, wie groß diese sind und welche Forschungsmethoden angewendet werden. So kann es vorkommen, dass vier Studien mit der gleichen Forschungsfrage zu vier unterschiedliche Antworten gelangen. Auch Elhais Team konnte nach seiner eigenen Studie nicht mehr Licht ins Dunkel bringen. Aber: Die Autor*innen sprechen in ihrem Artikel zwei ganz entscheidende Punkte an.
Handynutzung: Content und Social?
Zum einen können nicht alle Apps klar in die soziale oder Content-Kategorie eingeteilt werden. Zwei Beispiele: Beim sozialen Netzwerk Facebook gibt es auch Spielemöglichkeiten. In Online Games hingegen gibt es häufig auch Chats. Das macht eine strikte Trennung in Content oder sozial schwierig.
Der andere spannende Punkt ist dieser: Häufig beschränkt sich die problematische oder suchtartige Nutzung nicht ausschließlich auf das Smartphone. Wer beispielsweise zwanghaft online einkauft, tut dies vermutlich nicht nur übers Handy, sondern auch am Desktop-PC. Womöglich sogar auch ganz klassisch in der Fußgängerzone oder im Einkaufszentrum. Menschen mit Spielsucht (Glücksspiel oder Games) können ihrer Sucht online wie offline gleichermaßen nachgehen.
Gerade der zweite Punkt macht einmal mehr deutlich, dass es aller Wahrscheinlichkeit nicht das technische Gerät ist, das manchen von uns Probleme bereitet, sondern seine Inhalte. Besonders tückisch ist jedoch, dass wir diese Inhalte so gut wie immer und überall dabei haben. Oder wann bist Du das letzte Mal ohne Dein Handy aus dem Haus gegangen?
Beratung und Hilfe bei vermeintlicher Handysucht
Wir sind also nicht alle handysüchtig und sollten auch immer ganz genau darauf achten, welche Inhalte uns Probleme machen. Falls Du Sorge hast, dass Deine Handynutzung oder die eines Angehörigen außer Kontrolle geraten ist, haben wir hier ein paar Tipps und Anlaufstellen für Dich:
- Blogartikel „App-hängig: Wie uns Apps mit ihrem Design verführen wollen“
- Blogartikel „Smartphone-Zeit reduzieren: 7 einfache Tricks“
- Interaktive Karte mit Beratungsstellen bei Mediensucht