Kennst Du das? Du hast den ganzen Tag mit deinen Freund*innen über WhatsApp geschrieben. Oder das Wochenende ununterbrochen mit Deinem neuen Lieblingsspiel verbracht. Nun schmerzt Dir Dein Daumen oder Ellbogen und Du fragst Dich: Ist das normal? Muss ich da was machen? Oder alles nicht so schlimm? Wir haben mit Dr. Ingo Froböse über Gaming-Ellbogen und Smartphone-Daumen gesprochen. Er ist Professor am Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation der Deutschen Sporthochschule Köln.
Gaming-Ellbogen und Smartphone-Daumen sind Überlastungsreaktionen
Saskia Rößner: Was hat es mit dem Gaming-Ellbogen auf sich?
Ingo Froböse: Ellbogen-Problematiken gibt es schon länger, beispielsweise den Golf-Ellbogen, den Tennis-Ellbogen und jetzt auch den Gaming-Ellbogen. Das sind Überlastungsreaktionen im Bereich des Ellbogens. Dort setzen Sehnen am Knochen an. Wenn die Muskeln belastet werden, wird ein Zug auf die Sehnen ausgeübt. Ist die Belastung übermäßig und die Erholungszeiten zu gering, kann eine Entzündung entstehen.
Saskia Rößner: Der Gaming-Ellbogen tritt also vor allem bei Viel-Spieler*innen auf?
Ingo Froböse: Gefährdet sind vor allem diejenigen, die nicht ausreichend Pausen machen. Das können zum einen Personen sein, die sehr viel spielen. Aber auch Menschen, die Maus oder Controller krampfhaft halten, können betroffen sein.
Saskia Rößner: Ist der Smartphone-Daumen ein ähnliches Phänomen?
Ingo Froböse: Ja, das ist er. Der Daumen übernimmt beim Smartphone gleich zwei wichtige Funktionen. Erstens das Halten des Handys. Zweitens das Tippen oder Wischen. Vor allem beim Schreiben muss der Daumen sehr feinmotorisch arbeiten. Das ist er eigentlich gar nicht gewohnt. So kann es auch hier zu einer Überlastungsreaktion im Bereich von Gelenk und Sehnen kommen.
Training und Pausen beugen Gaming-Ellbogen und Smartphone-Daumen vor
Saskia Rößner: Wie können wir Gaming-Ellbogen und Smartphone-Daumen vorbeugen?
Ingo Froböse: Das ist vor allem bei Spitzensportler*innen im eSport schwierig. Auf jeden Fall ist ein Begleittraining notwendig. Das heißt, die betroffenen Muskeln müssen gekräftigt und die Sehnen gedehnt werden. So bieten in einer Belastungssituation bessere Leistung und Funktion. Zwei Beispielübungen: Nimm einen Ball in Deine Hand und knete ihn. Oder: Nimm Deine Finger und überstrecke Dein Handgelenk. E-Sportler*innen sollten täglich zwei Stunden körperliches Training einbinden.
Auch Massagen oder Friktion können helfen. Friktion heißt, dass wir mit den Fingern schnell über eine Stelle reiben, um die Durchblutung anzuregen. Nach der Belastung kann man auch mit Eis arbeiten.
Ganz wichtig: Ausreichend Pausen machen. Auch wenn das für Spitzensportler*innen schwer ist. Pausen gehören zum Erfolg. Belastungszeiten von maximal zwei Stunden am Stück sollten nicht überschritten werden. Das ist wichtig, um den Gelenken, Sehnen, Bändern und Muskeln wieder Sauerstoff und Nährstoffe zukommen zu lassen.
Letzter Tipp: Regelmäßig die Körperhaltung ändern. Schau mal, in welcher Position Du Maus, Controller oder Handy in der Hand hältst. Kannst Du daran etwas verändern? Vielleicht mit einer Unterlage, damit Du den Arm nicht mehr hochhalten musst. So kannst Du Arm und Hand entlasten.
Saskia Rößner: Was sind denn erste Anzeichen einer Überlastungsreaktion?
Ingo Froböse: Am Anfang ist es typischerweise ein Druckschmerz, also bei Berührung. Im weiteren Verlauf schwillt es an, rötet sich, wird warm und schmerzt auch ohne Berührung. Das ist die klassische Reihenfolge. Die Wärme entsteht durch die Immunreaktion des Körpers.
Schnelle Hilfe kann chronische Entzündung verhindern
Saskia Rößner: Gibt es Erste Hilfe-Maßnahmen für Gaming-Ellbogen oder Smartphone-Daumen? Oder lieber direkt zum Arzt?
Ingo Froböse: Unser Körper kann relativ viel kompensieren. Beim ersten Anzeichen sollte man also unbedingt sofort gegensteuern. Mindestens 48 Stunden Pause machen und gerne mit Eis kühlen. Es gibt auch entzündungshemmende Salben oder Medikamente, darüber sollte man aber auf jeden Fall erst mit einem Arzt sprechen. So früh wie möglich zu reagieren, ist wichtig.
Sonst kann die Überlastungsreaktion zu einer chronischen Entzündung werden. Das darf natürlich nicht passieren. Bei eSportler*innen würde das ein Aus für die Karriere bedeuten. Wir hören immer wieder von hervorragenden Spieler*innen – vor allem aus dem asiatischen Raum -, die zehn bis zwölf Stunden am Tag spielen. Viele von ihnen können mit Anfang/Mitte zwanzig aufgrund von Überlastung gar nicht mehr wettkampfmäßig spielen.
eSportler*innen können nur dann langfristig erfolgreich bleiben, wenn sie auch körperlich trainieren und Ruhepausen einhalten. Ansonsten hält der Körper die Belastung beziehungsweise Überlastung nicht lange aus. Muskeltraining ist also das A und O für so eine Berufskarriere.
Rücken, Schulter und Nacken ebenfalls belastet
Saskia Rößner: Sind Ellbogen und Daumen die einzigen Körperteile, die bei intensiver Mediennutzung unter Überlastung leiden können?
Ingo Froböse: Schulter-Nacken-Probleme gibt es häufig noch. Die Schulter ist ja die Zentrale des Arms. Daraus resultieren viele Probleme im Bereich Schulter und Nacken. Nicht umsonst gibt es ja beispielsweise auch den Handy-Nacken. Der entsteht durch die vorgebeugte Kopfhaltung. Das kann auch bei falsch eingestellten Monitoren passieren.
In der Schulter kann es zum Impingement-Syndrom kommen. Im Schulterdach verlaufen viele Muskel, Sehnen und Schleimbeutel. Wenn sich die in Reaktion auf eine Überlastung verdicken, kann es zu Abquetschungen und (Ab-) Reibung kommen. Das ist äußerst schmerzhaft.
Der gesamte Rücken – vor allem auch die Sitzmuskulatur – sollte trainiert werden. Ansonsten hängt man nach mehreren Stunden vor der Spielekonsole wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Das kann auch für die Lendenwirbelsäule und die Bandscheiben zum Problem werden.
Fazit: So beugst Du schmerzhaften Überlastungsreaktionen vor
Saskia Rößner: Herr Dr. Froböse, danke für die hilfreichen Infos über Gaming-Ellbogen, Smartphone-Daumen und ähnliche Erkrankungen. Ich fasse Ihre Tipps, um solchen Überlastungsreaktionen vorzubeugen, noch einmal für unsere Leser*innen zusammen:
- Kräftige Deine Muskeln!
- Dehne Deine Sehnen!
- Massiere betroffene Stellen!
- Rege die Durchblutung an!
- Entlaste/unterstütze Arm und Hand!
- Mach Pausen!