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Gehirn-Modell

Foto: Natasha Connell / Unsplash.com

Wie wirken Computerspiele in unserem Gehirn?

17 Dezember 2020

Lesezeit 7 Minuten

Digitale Medien machen dumm, dick, depressiv und einsam? Stimmt nicht! Dass solche Aussagen stark vereinfacht oder schlichtweg falsch sind, haben wir zum Beispiel hier oder hier gezeigt. Aber was passiert denn nun mit uns, wenn wir digitale Medien konsumieren? Was machen zum Beispiel Computerspiele mit unserem Gehirn? Die Antwort lautet: Mitunter sehr viel! Und vor allem: Sehr viel verschiedenes!

Computerspiele können das Gehirn trainieren

Für eSportler*innen und eSports-Begeisterte sollte das keine Überraschung sein: Regelmäßiges Computerspielen kann bestimmte Bereiche im Gehirn trainieren.

So kann beispielsweise die räumliche Wahrnehmung verbessert werden, wie bei Isabela Granic (2013) nachzulesen ist. Auch die Aufmerksamkeit kann effizienter eingesetzt und unwichtige Infos besser ausgeblendet werden. Das gilt vor allem für Shooter Games, in denen in dreidimensionalen Welten und komplexen Situationen blitzschnelle Entscheidungen gefragt sind. Die positiven Effekte können auch nach dem Spielen noch längere Zeit im Gehirn anhalten und in der analogen Welt angewendet werden.

Aber: Bei Menschen, die problematisch oder suchtartig spielen, nimmt die Aufmerksamkeit generell wieder ab, wie Manuel Mennig von der Uni Marburg im Pixeldiskurs-Podcast (2020) erzählt.

"Use your Brain" in Leuchtbuchstaben

Foto: Jesse Martini / Unsplash.com

Eine Metastudie lässt darauf schließen, dass durch Action Games auch die Wahrnehmungsgeschwindigkeit erhöht sowie die Reaktionszeit verkürzt werden können, ohne dass darunter die Genauigkeit der Reaktionen leidet (Dye 2010).

Erste Studien deuten zudem darauf hin, dass Videospiele (unabhängig vom Genre) die Problemlösungskompetenzen trainieren könnten. Hier ist die Forschung allerdings noch nicht ausgereift (Granic 2013).

Belohnung im Computerspiel: Dopamin für das Gehirn

Was durch Computerspiele in unserem Gehirn auch trainiert werden kann, ist das Belohnungssystem. Damit haben wir uns schon einmal in einem Blogbeitrag beschäftigt. Das kannst Du hier nachlesen.

Unser Gehirn mag den Belohnungsstoff Dopamin nämlich überaus gerne und hätte am liebsten immer mehr davon. Im schlimmsten Fall kann das sogar die Entstehung einer Sucht befördern. Und dann? Dann ist dein Gehirn sozusagen so umprogrammiert, dass digitale Belohnungen dich glücklicher machen als analoge Belohnungen (Weinstein 2010).

Glücklicherweise werden nicht automatisch alle Menschen, die digitale Spiele spielen, direkt süchtig. Was allerdings erste Anzeichen einer Computerspielsucht sein könnten, kannst Du hier nachlesen.

Badelatschen mit der Aufschrift "Game Over"

Foto: Abdul Bakar / Unsplash.com

Computerspiele: Gehirn zwischen Aufregung und Entspannung

Exelmans & Van den Bulck (2015) konnten in einer Studie nachweisen, dass sich digitale Spiele auch auf unser Schlafverhalten auswirken. Wir gehen später ins Bett und stehen später auf. Wir können schlechter schlafen, sind generell müder und nehmen häufiger Schlafmittel. Dabei scheint die Regel zu gelten: Je höher die tägliche Spielzeit, desto weniger und schlechter schlafen wir. Warum ist das so? Hier zwei mögliche Erklärungen:

Zum einen hat das blaue Licht des Bildschirms den Effekt, uns wach zu halten, so Exelmann und van den Bulck. Das gilt nicht nur für Computerspiele, sondern auch für alle anderen Medien, die optisch über Bildschirme konsumiert werden: Soziale Medien, Streaming und sogar E-Mails. Dabei gilt: Je dichter Bildschirm und Augen beisammen sind, desto wacher hält uns das.

Zum anderen erregen viele Computerspiele unser Gehirn, erklären Exelmann und van den Bulck. Darüber haben wir ja schon oben unter dem Stichwort Training geschrieben. Gerade bei schnelllebigen Action-Spielen können unsere Atmung, unser Blutdruck und unser Herzschlag in die Höhe gehen. Das steht natürlich im Widerspruch zum ruhigen Schlaf. Bei weniger actionreichen Spielgenres ist die Aufregung in unserem Gehirn übrigens nicht so groß. Falls Du vor dem Schlafengehen noch eine Runde zocken willst, greif also lieber zu einem ruhigeren Spieltyp. Noch besser: 1-2 Stunden bevor Du zu Bett gehst alle Bildschirme ausschalten.

Zwei Füße unter einer Bettdecke

Foto: Tracey Hocking / Unsplash.com

Computerspiel ist nicht gleich Computerspiel

Du siehst also, dass Computerspiele auf sehr unterschiedliche Weise in unserem Gehirn wirken können. Hier nochmal eine kurze Übersicht:

  • Räumliche Wahrnehmung fördern
  • Wahrnehmungsgeschwindigkeit erhöhen
  • Reaktionszeit verbessern
  • Aufmerksamkeit effizienter verteilen
  • Eventuell Problemlösungsfähigkeit verbessern
  • Belohnungssystem aktivieren und Dopamin ausschütten
  • Ruhigen Schlaf erschweren

Was davon nun bei Dir zutrifft, können wir Dir hier leider nicht beantworten. Das hängt von vielen Faktoren ab (Bavelier 2011): Welche Spiele spielst Du? Wie oft/lange spielst Du? Welche Persönlichkeitsmerkmale hast Du? Und wahrscheinlich spielen hier noch weitere Aspekte eine Rolle. Die Frage nach dem Einfluss von digitalen Spielen auf das menschliche Gehirn lässt sich nicht pauschal beantworten. Computerspiele sind ein sehr komplexes Medium. Menschen sind sehr komplexe Lebewesen. Die Frage muss also für jeden Menschen und seine Spiele individuell beantwortet werden.

Du machst Dir Sorgen, ob dein Spielverhalten einen negativen Einfluss auf Dein Gehirn hat? Oder Du hast das Gefühl, dass es bereits dazu gekommen ist? Oder du fragst dich, wie du damit umgehen kannst, wenn du merkst, dass jemand aus deinem Freundes- oder Familienkreis ein Problem mit dem Computerspielen hat? Dann lass Dich doch einfach mal unverbindlich beraten. Wo? Das kannst Du in unserer interaktiven Karte sehen: Einfach Deine Postleitzahl eingeben und erfahren, welche Beratungsstellen es in Deiner Nähe gibt.

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