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Gemaltes Bild. Im Vordergrund ein Mensch, der Mund und Augen weit auf- und die Arme in die Höhe reißt. Im Hintergrund verschwimmen bunte Farbfelder.

Bild: Prawny/Pixabay

FOMO – Fear of Missing Out: Hast Du Angst, etwas zu verpassen?

30 Januar 2020

Lesezeit 7 Minuten

Die beste Party, der schönste Strand, das leckerste Essen. Über die Posts Deiner Freund*innen und Lieblings-Influencer*innen bist Du immer auf dem Laufenden. Deinem Smartphone sei Dank. „Andererseits kann die ständige Möglichkeit, mit anderen zu kommunizieren und ihre Aktivitäten zu verfolgen, auch zu einem starken Verlangen führen, stets auf dem neuesten Stand der Dinge zu sein und über alles Bescheid wissen zu wollen. Und dadurch das Gefühl vermitteln, ständig etwas Wichtiges zu verpassen. Diese Angst wird als Fear of Missing Out (FOMO) bezeichnet“, erklären die Kommunikationswissenschaftlerinnen Karin Knop und Dorothée Hefner in einem gemeinsamen Artikel von 2018.

Ist Fear of Missing Out eine Krankheit?

Eine offizielle Krankheitsdiagnose ist FOMO nicht. Krankenkassen haben das Phänomen aber durchaus auf dem Schirm. Die Techniker Krankenkasse beispielsweise schreibt in ihrem Online-Magazin: „Heute, wo wir durch die digitalen Medien und mobilen Kommunikationsmittel fast zeitgleich am Leben unserer Freund*innen und Bekannten teilnehmen können, nagt die Sorge, etwas zu verpassen, ständig in unserem Hinterkopf. Das sorgt für Stress. Selbstzweifel tauchen auf – und die Frage: Warum ist mein Leben eigentlich so langweilig?“

Keine Sorge, langweilig ist Dein Leben bestimmt nicht. Zumindest nicht langweiliger als das Leben der meisten Menschen. Aber auf Instagram posten doch alle immer so tolle Fotos? Das stimmt vielleicht, lässt sich aber auch ganz einfach erklären. Natürlich wollen wir andere Menschen mit dem, was wir erleben, gerne beeindrucken. Deswegen posten wir nur die guten Dinge. Die schlechten verschwinden im digitalen Papierkorb.

FOMO und Social Media: Ein Teufelskreis?

Was Du in den sozialen Medien siehst, ist also sehr wahrscheinlich eine beschönigte digitale Scheinwelt. Wer sich damit vergleichen möchte, kann eigentlich nur verlieren. Die TK sieht hier sogar das Risiko einer Teufelsspirale: „Die Angst, etwas zu verpassen, führt zu intensiverer Nutzung von Sozialen Medien. Das FOMO-Opfer klickt sich durch seine Accounts, um anderen Menschen näher sein – und fühlt sich am Ende nur noch schlechter.“ Und dieser Klick-Marathon kann leicht ins Unendliche führen, denn unsere Newsfeeds und Timelines sind durch Pull-to-Refresh und Infinite Scrolling schier endlos.

Ein Mann steht in einem Park. Er hält sein Handy mit dem rechten Arm weit von sich weg. Seine Augen und sein Mund sind weit aufgerissen.

Foto: Zazu70/Pixabay

„Doch nicht nur der ständige Vergleich mit anderen führt zu FOMO. Dazu kommt noch ein anderer Faktor“, warnt die TK weiter. „Egal, ob im Job, im Studium, in der Freizeit und bei der Partner*innenwahl, in unserer heutigen Gesellschaft bieten sich immer mehr Möglichkeiten. Was es schwieriger macht, sich einfach mal für etwas zu entscheiden und dabei zu bleiben. Irgendwo schlummert immer die Ungewissheit: Kommt vielleicht beim nächsten Klick noch eine bessere Option um die Ecke? Dies führt zu einer inneren Unruhe, kann sogar Schlafstörungen auslösen.“

Bin ich von FOMO betroffen?

Der britische Psychologe Andrew Przybylski hat 2013 zusammen mit Kou Murayama, Cody R. De Haan und Valerie Gladwell einen Fragebogen entwickelt, der verschiedene Ausprägungen der Fear of Missing Out abfragt. Die Skala umfasst zehn Fragen, die wir für Dich aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt haben. Je mehr Fragen Du mit Ja beantwortest, desto stärker ist Deine FOMO ausgeprägt.

FOMO-Skala nach Przybylski & Co

  1. Hast Du Angst, dass andere tollere Sachen erleben als Du?
  2. Hast Du Angst, dass Deine Freund*innen tollere Sachen erleben als Du?
  3. Machst Du Dir Sorgen, wenn Deine Freund*innen ohne Dich Spaß haben?
  4. Machst Du Dir Sorgen, wenn Du nicht weißt, was Deine Freund*innen gerade tun?
  5. Ist es Dir wichtig, Insider-Witze Deiner Freund*innen zu verstehen?
  6. Fragst Du Dich manchmal, ob Du zu viel Zeit damit verbringst, immer auf dem Laufenden zu sein?
  7. Findest Du es schlimm, eine Gelegenheit zu verpassen, Deine Freund*innen zu treffen?
  8. Ist es Dir wichtig, Deine schönen Erfahrungen auch online zu teilen?
  9. Stört es Dich, wenn Du ein geplantes Treffen verpasst?
  10. Hälst Du Dich auch dann auf dem Laufenden, wenn Du in den Urlaub fährst?

Wenn Du viele der Fragen mit Ja beantwortet hast, kann es sinnvoll sein, Dir Unterstützung zu suchen. In Deutschland gibt es viele Hilfeangebote: Regionale Sucht-Beratungsstellen oder Jugendhilfe-Einrichtungen, Online-Beratungsangebote wie beispielsweise Juuuport oder die Beratungs-Hotline von Nummer gegen Kummer. Übrigens: (Sucht-) Beratungsstellen sind nicht nur für Dich da, wenn Du schon sicher bist, dass Du süchtig bist. Sie können Dir auch einfach nur Fragen beantworten, Ungewissheiten klären oder Dir bei der Suche nach geeignete(re)n Ansprechpartner*innen helfen.

Ortsschild, auf dem ein durchgestrichenes "Fear" wie in Fear of Missing Out (FOMO) zu lesen ist.

Foto: geralt/Pixabay

FOMO: Was sagt die Wissenschaft?

Zu Fear of Missing Out wird nicht nur in der Psychologie geforscht. Auch in den Wirtschafts- und Politikwissenschaften taucht das Phänomen auf. Hier erst einmal ein paar kurze Ergebnisse aus der psychologischen Forschung:

  • Menschen mit großer FOMO fühlen sich generell unwohler und unzufriedener. (Przybylski & Co)
  • Je stärker die FOMO, desto intensiver die Handynutzung (Knop + Hefner)
  • Menschen mit großer FOMO nutzen Social Media intensiver. (Przybylski & Co)
  • Je stärker die FOMO, desto unüberlegter die Social Media Nutzung (Knop + Hefner)
  • Je grösser sozialen Ängste und FOMO, desto höher das Risiko einer Social Media Abhängigkeit (Ryan & Co) https://akademiai.com/doi/pdf/10.1556/JBA.3.2014.016
  • Menschen mit großer FOMO lassen sich beim Lernen oder Autofahren leichter ablenken. (Przybylski & Co)

Welchen Einfluss hat die Fear of Missing Out auf uns?

Zwischen einem negativen Gemütszustand, Fear of Missing Out, Social Media und Mediensucht gibt es demnach einen Zusammenhang. Jedoch ist noch nicht genau geklärt, ob FOMO die Social Media Nutzung verstärkt, oder die Social Media Nutzung FOMO. Vielleicht bedingen Sie sich auch gegenseitig, so wie in einem Teufelskreis, von dem die Techniker Krankenkasse schreibt.

Vier Wissenschaftler*innen aus Hong-Kong haben zudem herausgefunden, dass es einen Zusammenhang zwischen FOMO und politischer Radikalisierung geben könnte. Und ein Australischer Wirtschaftswissenschaftler hat herausgearbeitet, wie Unternehmen FOMO gezielt ausnutzen können, um ihre Online-Verkaufszahlen zu steigern. Das klingt erschreckend, finden wir. Was denkst Du darüber?

Übrigens: Inzwischen gibt es auch das Gegenteil zu FOMO: JOMO. Joy of Missing Out bezeichnet dabei einen Lebensstil, der es bewusst genießt, nicht alles mitzubekommen. Probier’s doch mal aus!

Quelle

Karin Knop & Dorothée Hefner (2018): Feind oder Freund in meiner Hosentasche? – Zur Rolle von Individuum, Peergroup und Eltern für die (dys)funktionale Handynutzung, in: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, Band 67, Ausgabe 2, DOI: 10.13109/prkk.2018.67.2.204.

Im Hintergrund ein Smartphone mit vielen bunten App-Symbolen. Im Vordergrund ein Smily, der sich die Hände an den Kopf hält, weil im schwindelig ist. App-hängig: Wie uns Apps mit ihrem Design verführen wollen Blau leuchtender Hintergrund. Im Vordergrund hält eine Hand ein Smartphone mit leuchtendem Bildschirm hoch. Auf dem Bildschirm ist ein Stop-Schild zu sehen. Wie wirksam sind Prävention und Frühintervention bei Mediensucht?
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