Du kennst das vielleicht: Du hast Dein Handy in der Hosen- oder Jackentasche. Es vibriert, Du holst es raus und guckst auf das Display. Aber: Nichts! Kein Anruf, keine Nachricht. Huch, hast Du vielleicht Halluzinationen? Die schlechte Nachricht: Ja, vielleicht. Die gute Nachricht: Du bist nicht allein. Das geht scheinbar vielen Menschen so. Manche leiden sogar unter einem Phantom-Vibration-Syndrom.
Phantom-Vibration und Phantom-Klingel
„Medizinisch gesehen handelt es sich bei der Phantom-Vibration um eine Halluzination, die besonders dann auftritt, wenn das Smartphone häufig am Körper getragen wird und die Vibrationen angeschaltet sind. Sobald ein Muskel zuckt oder die Jacke an der Tasche reibt, wird das möglicherweise als Vibration des Smartphones wahrgenommen. Dabei hat das Smartphone gar nicht wirklich vibriert.“
Diese Definition stammt von Handysektor, einem Projekt der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen und des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs) in Kooperation mit klicksafe.de. Das Phantom-Klingeln beschreibt das gleiche Phänomen, nur mit Klingeln anstelle von Vibration.
Wie viele Menschen leben mit dem Phantom?
Wie viele Menschen betroffen sind, lässt sich nicht genau sagen. Unterschiedliche Studien kommen hier zu unterschiedlichen Ergebnissen. Vielleicht liegt das an unterschiedlichen Methoden oder Fragen. Verschiedene wissenschaftliche Studien aus aller Welt konnten das Phänomen bei 54 bis 89 Prozent der Studienteilnehmenden nachweisen.
Laut einer Umfrage des Bitkom (Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien) aus dem Jahr 2013 sind in Deutschland rund 25 Millionen Menschen betroffen. Vier von zehn Handybesitzer*innen haben demnach manchmal das Gefühl, dass ihr Mobiltelefon klingelt oder vibriert, obwohl sie weder einen Anruf noch eine Nachricht erhalten haben.
Phantom-Vibration und Phantom-Vibration-Snydrom
Egal, welche der Studien nun am nächsten an der Wahrheit dran ist: Du siehst, Du bist nicht allein. Erstaunlich viele Menschen bilden sich zumindest hin und wieder ein, dass ihr Handy klingelt oder vibriert.
Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Menschen automatisch das medizinische Phantom-Vibrations-Syndrom haben. Denn dieses ist sehr viel ausgeprägter und mit einem starken Leidensdruck bei den Betroffenen verbunden.
Mögliche Symptome des Phantom-Vibrations-Syndroms
- Psychologischer Stress
- Angst
- Halluzinationen
- Depression
- Aufmerksamkeitsdefizit
- Übertriebende Wachsamkeit
- Emotionale Störungen
Manche Forscher*innen konnten sogar einen Zusammenhang zwischen dem Phantom-Vibration-Syndrom und Burnout, affektiven Störungen, depressiven Psychosen oder krankhaftem Stress finden. Es ist aber noch nicht klar, ob das Syndrom für weitere psychische Erkrankungen verantwortlich oder selbst nur ein Symptom dieser ist.
Mögliche Erklärungen für die Handy-Halluzinationen
Die Wissenschaft hat eine Reihe von möglichen Einflussfaktoren für die Entstehung des Phantom-Vibration-Syndroms herausgearbeitet. In welcher Kombination und Ausprägung sie zusammenspielen, ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.
Mögliche Ursachen eines Phantom-Vibration-Syndroms
- Häufige Nutzung des Handys
- Aktivierung des Vibrationsmodus
- Abhängigkeit (nicht Sucht) vom Handy
- Posttraumatische Störungen
- Emotionale Verbundenheit mit technischen Geräten
- Stress
- Lange Aufbewahrung des Handys in derselben Tasche
Wie werde ich das Phantom wieder los?
Wie bei vielen Krankheiten gilt: Je früher Du eingreifst und gegensteuerst, desto eher kannst du eine ernsthafte Erkrankung verhindern. Folgende Methoden könnten helfen, die Handy-Halluzinationen abzuschwächen oder sogar ganz loszuwerden:
Erste Hilfe beim Phantom-Vibration-Syndrom
- Weniger Zeit mit dem Handy verbringen (unsere Tipps dazu gibt’s hier)
- Die Abhängigkeit vom Smartphone verringern (z.B. einen Papier-Kalender führen, alternative Kommunikationswege nutzen)
- Häufiges Wechseln des Alarmmodus (z.B. Klingeltöne, zwischen „Klingeln“ und „lautlos“ wechseln; Vibration am besten ganz vermeiden)
- Änderung des Lebensstils (z.B. weniger Stress oder aktive Methoden zur Stressbewältigung)
- Verschiedene Geräte nutzen (z.B. privat und beruflich trennen, Social Media nur am PC nutzen)
- Smartphone an unterschiedlichen Orten aufbewahren und möglichst nicht direkt am Körper tragen
Bis der Körper sich von der Vibrations-Gewöhnung wieder entwöhnt hat, wird es vermutlich etwas dauern. Hier kann es also sein, dass Du Dich in Geduld und Disziplin üben musst. Solltest Du es alleine nicht schaffen, das Phantom wieder loszuwerden, kannst Du Dich an eine Beratungsstelle wenden, die sich mit Mediennutzung auskennt. Solche Beratungsstellen findest Du zum Beispiel in unserer interaktiven Karte. Dort kannst Du einfach deine Postleitzahl eingeben und sehen, welche Anlaufstellen es in Deiner Nähe gibt.
Quellen
- Shatrughan Pareek (2017): Phantom Vibration Syndrome. An Emerging Phenomenon, in: Asian Journal Nursing Education and Research 7(4), DOI:10.5958/2349-2996.2017.00116.1.
- Robert Rosenberger (2015): An experiential account of phantom vibration syndrome, in: Computers in Human Behavior, 52
- Michelle Drouin, Daren H. Kaiser, Daniel A. Miller (2012): Phantom vibrations among undergraduates: Prevalence and associated psychological characteristics, in: Computers in Human Behavior, 28.
- M. B. Rothberg et al. (2010): Phantom vibration syndrome among medical staff: a cross sectional survey, in: BMJ, Band 341.
- Y. H. Lin et al. (2013): Prevalent hallucinations during medical internships: phantom vibration and ringing syndromes, in: PloS one. Band 8, Nummer 6.