Blog

Plakat mit bösem Smiley

Foto: Andre Hunter / Unsplash.com

Hate Speech: Was tun bei Beleidigung, Bedrohung und Hetze im Netz?

10 Februar 2022

Lesezeit 6 Minuten

Der Begriff „Hate Speech“ bedeutet ins Deutsche übersetzt so viel wie „Hassrede“. Was genau sich dahinter verbirgt, erklärt uns die Organisation HateAid in einem kurzen Interview. Außerdem zeigt sie uns, wie wir uns vor Hate Speech schützen können und wie wir uns verhalten sollten, wenn wir Hate Speech beobachten oder selbst davon betroffen sind.

Saskia Rößner: Was versteht man denn überhaupt unter Hate Speech?

HateAid: Hate Speech ist eine Form der digitalen Gewalt und gilt als Oberbegriff für verbal oder schriftlich geäußerte gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie unter anderem Rassismus. Dies können beleidigende oder herabsetzende Äußerungen im Internet sein. Zum Beispiel Kommentare in den sozialen Medien oder Beleidigungen und Bedrohungen per Privatnachricht.

Der Begriff der digitalen Gewalt umfasst aber auch andere Szenarien wie etwa Verleumdung. Das kann das Verbreiten von Falschinformationen über eine Person sein, die so herabgewürdigt wird. Aber auch die Veröffentlichung von sensiblen Daten wie etwa der Wohnadresse zählt dazu. Das Ziel ist, die Betroffenen einzuschüchtern. Hier spricht man vom sogenannten Doxxing.

Digitale Gewalt ist Alltag im Internet

Saskia Rößner: Wo kann uns Hate Speech begegnen?

HateAid: Digitale Gewalt ist leider Alltag im Netz. Die Hemmschwelle für digitale Gewalt sinkt, wenn wir unserem Gegenüber dabei nicht in die Augen sehen müssen. Die Menschen trauen sich im Netz eher Dinge, die sie auf der Straße nicht tun würden. Digitale Gewalt begegnet uns in gängigen sozialen Medien wie Facebook und Instagram, aber auch bei Online-Games und auf Verkaufsplattformen. Das bedeutet: Es gibt keine riskanteren, aber auch keine völlig sicheren Räume.

Saskia Rößner: Gibt es besonders gefährdete Personengruppen?

HateAid: Digitale Gewalt kann jeden Menschen treffen, aber nicht alle gleich. Wir beobachten leider, dass Frauen häufiger zum Ziel von Angriffen werden und auch marginalisierte Gruppen. So etwa Menschen aus der LGBTIQ+-Community oder von analogem Rassismus betroffene Personen. Aber auch Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und sich zu Reizthemen wie Feminismus, Klima oder Migration äußern oder politisch engagieren.

Aufkleber "Post No Hate"

Foto: Jon Tyson / Unsplash.com

Was tun bei Hate Speech?

Saskia Rößner: Wenn ich Hate Speech bei anderen Menschen beobachte, wie sollte ich mich verhalten?

HateAid: Zivilcourage brauchen wir auf der Straße genauso wie im Netz. Wenn ich sehe, dass jemand angegriffen wird, kann ich dazu Stellung beziehen. Wenn es die Situation zulässt, kann ich kommentieren, dass dieser Angriff nicht in Ordnung ist und gegebenenfalls der betroffenen Person per Direktnachricht Mut zusprechen und Solidarität bekunden. Außerdem sollten wir hasserfüllte Inhalte, wenn wir über sie stolpern, auf der Plattform melden.

Saskia Rößner: Wenn ich von Hate Speech selbst betroffen bin, was sollte ich tun?

HateAid: Einmal durchatmen und Dich zurücklehnen. Lassen Dich nicht zu einer übereilten Reaktion hinreißen. Denn das wollen Täter*innen häufig bewirken: dass wir hitzig mitdiskutieren oder selbst beleidigend werden. Stattdessen ist es besser, kurz einmal abzuschalten und einer vertrauten Person mitzuteilen, was Dir widerfahren ist. So bist Du mit dem Erlebten nicht allein.

Ebenso ratsam ist es, schnell Screenshots von den Hass-Inhalten anzufertigen, bevor Beweise und Posts womöglich gelöscht werden. Mache Screenshots, auf denen Datum und Uhrzeit der Kommentare oder Nachrichten zu sehen sind, und dokumentiere auch den Kontext mit. Generell raten wir dazu, Anzeige zu erstatten. Das geht auch online. Es ist wichtig, den Täter*innen aktiv Grenzen aufzuzeigen und deutlich zu machen: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum! Zudem hilft es den Ermittlungsbehörden, das Ausmaß von digitaler Gewalt zu sehen und sich dieser Herausforderung anzupassen. Selbst wenn es in vielen Fällen nicht zu einer Verurteilung kommt.

So kannst Du Hate Speech vorbeugen

Saskia Rößner: Gibt es Möglichkeiten, sich von Hate Speech zu schützen?

HateAid: Komplett sicher ist leider niemand. Es gibt aber einige präventive Maßnahmen:  Wir alle sollten wissen, welche Daten über uns im Netz zu finden sind. Mit guten Privatsphäre-Einstellungen kann man sich hier schützen. Oft ist auch die Kombination aus Informationen von verschiedenen Portalen tückisch.

Ein Beispiel: Eine Person betreibt einen Architekturblog auf Instagram und macht dort häufig Fotos von ihrem Balkon und ihrer Straße. Ihren echten Namen nennt sie dort nicht. Natürlich – denn dort ist sichtbar, wo sie wohnt. Aber auf ihrem Facebook-Profil tritt sie mit Klarnamen auf und hat ihren Instagram-Kanal dort verlinkt. Solche Kombinationen von Infos werden häufig übersehen.

Ist man bereits betroffen, kann man die Täter*innen melden und blockieren – und spätestens dann die eigenen Einstellungen überprüfen. Auch sich selbst zu googlen kann einen Überblick über die eigene digitale Präsenz und eventuelle Sicherheitslücken geben.

Zettel "Share Love Not Hate"

Foto: Dan Edge / Unsplash.com

Hilfe für Betroffene von Hate Speech

Saskia Rößner: Wo können von Hate Speech betroffene Menschen Hilfe finden?

HateAid: Wenn Du akut um Deine Sicherheit besorgt bist, dann wende Dich direkt an die Polizei. Bei psychischen Krisen kontaktiere bitte den sozialpsychiatrischen Dienst. Wenn dieser nicht erreichbar ist, wende Dich an die Telefonseelsorge. Es ist auch hilfreich, das eigene soziale Umfeld, Freund*innen oder Familie zu informieren, um nicht allein zu sein. Oder Du wendest Dich an eine Beratungsstelle wie HateAid.

Saskia Rößner: Was macht HateAid?

HateAid: Unser Angebot richtet sich an alle Betroffenen von digitaler Gewalt und reicht von einer emotional stabilisierenden Erstberatung bis zur Nachsorge. Dazu gehören eine Beratung zur digitalen Sicherheit und Kommunikation im Netz, sowie das Vermitteln von Informationen über digitale Gewalt und Strategien der Täter*innen. Außerdem unterstützen wir bei der Rechtsdurchsetzung und dem Löschen von Inhalten auf Plattformen.

Um zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen, übernehmen wir in geeigneten Fällen die Kosten für eine anwaltliche Beratung und Vertretung sowie die Kosten des Gerichtsverfahrens. Damit es keine Frage des Geldbeutels bleibt, sich gegen Hass im Netz wehren zu können.

Saskia Rößner: Danke für diese wertvollen Informationen!

Weitere Infos

Smartphone mit Herz, Stetoskop, Einsen und Nullen, zwei Hände berühren sich mit den Zeigefindern SCAVIS und smart@net – neues kostenloses Hilfeangebot bei Onlinesucht Social media Logos, Gabel und Maßband Gibt es einen Zusammenhang zwischen Social Media und Essstörungen?
Diesen Artikel Teilen auf:
Interessante Beiträge

Du hast Fragen oder Anregungen?

Schreib uns gerne eine Nachricht, wir helfen Dir weiter.