Mehr Erfahrungspunkte, Münzen, Gold, Juwelen, neue Waffen, Werkzeuge und Accessoires, mehr Angriffs- und Verteidigungspunkte, seltene oder wertvolle Gegenstände, neues Level, neue Skins, mehr Lebenskraft, schnellere Ladezeiten, usw. – Computerspiele belohnen uns, wenn wir kleine Aufgaben erledigt oder große Herausforderungen gemeistert haben. Von Candy Crush bis World of Warcraft – ohne Belohnungen im Computerspiel würden es wahrscheinlich auch nicht so viel Spaß machen, oder? Die positiven Rückmeldungen können aber auch unschöne Nebenwirkungen haben.
Belohnungen im Computerspiel können Suchtrisiko erhöhen
Dr. Hans-Jürgen Rumpf hat für die Bundesregierung eine Expertise zu „suchtfördernde[n] Faktoren von Computer- und Internetspielen“ erstellt. Darin hat er zahlreiche Studien zu diesem Thema zusammengefasst. Sein Ergebnis (S. 7):
Für alle Spiele gilt, dass die Form der Belohnung entscheidend an der Suchtentwicklung beteiligt ist.
Die Aufzählung am Anfang dieses Blogartikels zeigt, dass es viele verschiedene Formen von Belohnungen gibt. Je mehr unterschiedliche Belohnungsarten in einem Spiel eingebaut sind, desto höher ist das Suchtrisiko, so Dr. Rumpf. Übrigens steigert auch der mögliche Verlust von Belohnungen das Suchtpotential von Spielen, warnt Dr. Rumpf, beispielsweise durch Spielpausen und -unterbrechungen oder Abwesenheiten. Das kann vor allem bei Echtzeitspielen riskant sein.
Belohnungen im Computerspiel: Zufällig wie beim Glücksspiel
Das Suchtrisiko wird auch dadurch beeinflusst, ob die Belohnungen zuverlässig oder zufällig erfolgen, erklärt Dr. Rumpf. Bekommst Du bei jedem Sieg gegen einen Troll Goldmünzen? Oder nicht immer? Immer seltener? Nicht immer gleich viele? Diese Zufälligkeit erinnert an die Mechanismen beim Glücksspiel. Unvorhersehbare Belohnungen sind demnach verlockender als vorhersehbare. Die Hoffnung auf einen seltenen Gegenstand oder einen großen Schatz ist entscheidend.
Übrigens: Beim Glücksspiel ist immer auch der Einsatz von Echtgeld erforderlich. Auch in vielen Spielen ist es möglich, sich Belohnungen mit Geld zu erkaufen statt sie sich mühsam zu erspielen (Pay-to-Win, Mikrotransaktionen, usw.). Hier kann ebenfalls das Zufallsprinzip greifen, beispielsweise bei Lootboxen oder FIFA Packs. Du gibst Geld für eine vermeintlich tolle Belohnung aus, kannst Dir aber nicht sicher sein, ob Du den erhofften Inhalt überhaupt erhältst oder vielleicht doch nur etwas, was Du schon hast / gar nicht brauchst.
Für Belohnungen immer intensiver spielen müssen
Dr. Rumpf hat durch seine Untersuchungen herausgefunden, dass bei vielen Spielen die Spieler*innen zu Beginn sehr häufig und sehr zuverlässig belohnt werden. So lernen sie, dass ihr Verhalten (zum Beispiel die Erledigung einer Aufgabe) eine positive Reaktion herbeiführt. Im Verlauf des Spiels gibt es die Belohnungen dann immer seltener und nur noch unvorhersehbar / zufällig.
Die Belohnungen sind dann „mit längeren Warte[zeiten], größerer Unsicherheit, höheren Verlustrisiken und höherem Belohnungswert“ verbunden, schreibt Florian Rehbein zusammen mit anderen Autor*innen im Jugendmedienschutz-Report 6/2010 (S. 8). Und weiter: „Diese komplexen Strukturen können sowohl als Mittel eines systematischen Verhaltensaufbaus als auch einer systematischen Aufrechterhaltung des Spielverhaltens verstanden werden“.
Um bei unserem Beispiel mit den Trollen und dem Gold zu bleiben: Mit fortschreitendem Spiel müssen die Spieler*innen also mehr Trolle besiegen, um die gleiche Menge an Goldmünzen zu bekommen. Das Verhalten (Aufgabe erledigt) wird so gefestigt / verinnerlicht. In der Psychologie nennt man das „intermittierende Verstärkung“ (Rumpf, S. 7), bei der es übrigens besonders schwierig ist, sich das erlernte Verhalten wieder abzugewöhnen.
Zusammenfassung: Belohnungen im Computerspiel und Suchtrisiko
Folgende Aspekte von Belohnungen in Computerspielen fasst Dr. Rumpf in seiner Expertise als suchtfördernd zusammen:
- Zahlreiche Formen von Belohnungen
- Komplexes Belohnungssystem mit einem hohen Grad an Unvorhersagbarkeit
- Belohnungssystem wechselt von kontinuierlicher zu intermittierender Verstärkung
- Negative Konsequenzen (z.B. Verlust von Belohnungen) durch Spielpausen, Spielunterbrechungen oder Abwesenheit
- Bezahlsysteme zum Erwerb und Verkauf von Spielgütern verstärken das Belohnungssystem und fördern das Suchtpotenzial
Vielleicht denkst Du ja bei Deinem nächsten Gaming-Abend an unseren Blogartikel und hinterfragst das Belohnungssystem Deines Lieblingsspiels einmal kritisch. Man muss ja auch nicht immer Erste*r oder Beste*r sein, um Spaß an einem Spiel zu haben.