Eines gleich vorneweg: Es geht hier nicht darum, zu beurteilen, ob eSport nun „echter“ Sport ist oder nicht. Es geht auch nicht darum, zu bewerten, ob Strategie- oder Ego-Shooter-Spiele genauso zu eSport gezählt werden sollten, wie die klassischen Sportspiele Fußball oder Basketball.
Hier geht es darum, alle, die gerne in ihrer Freizeit oder professionell Computerspiele mit Wettkampf-Charakter spielen, dafür zu sensibilisieren, wie wertvoll eine Balance zwischen digitaler und körperlicher Beanspruchung für deren Wohlbefinden ist.
Wir müssen den Spieltrieb anerkennen
Für viele Menschen gehört das Spielen am Computer zu deren Lebenswelt. Es bereitet ihnen Spaß, bietet einen analogen oder virtuellen Treffpunkt und kann eine Chance für Inklusion sein. Für etliche Menschen ist es ein Zeitvertreib, für manchen sogar professioneller Broterwerb. Der eSport-Bund Deutschland (ESBD) zählt knapp drei Millionen Menschen, die sich in Deutschland für virtuelle Sport- und Strategiespiele begeistern. Grund genug, deren Spieltrieb einfach anzuerkennen und ernst zu nehmen.
Stundenlanges Sitzen kann Spätfolgen haben
Davon unberührt bleibt der Fakt, dass eSport hauptsächlich mit stundenlangem Sitzen verbunden ist. Damit kann sich für dauerhaft sitzende Spieler*innen das Risiko für Zivilisationskrankheiten erhöhen. Allerdings: Weltweit befinden sich die meisten eSport-Spielenden im Alter von 16 bis 34 Jahren – so schreiben es die Autor*innen in dem Beitrag „eSportler im Fokus der Sportwissenschaft“ im Wissenschaftsmagazin IMPULSE der Deutschen Sporthochschule (DSHS) Köln.
Der genannte Altersabschnitt entspricht einer Lebensphase, in der die meisten gesunden Menschen nicht direkt folgenreich spüren, dass ihnen Bewegungsmangel schadet. Der Körper fängt in diesem Alter eben nicht gleich an zu zwicken, nur, weil er mal ein paar Stunden vor dem Bildschirm geparkt ist – wenngleich er unter Strom steht und der Geist auf Hochtouren arbeitet. Eigene Befragungen der DSHS Köln unter eSport-Spielenden im Durchschnittsalter von 22 Jahren zeigen, dass die Sportler*innen ihren Gesundheitszustand subjektiv als mindestens gut einschätzen.
Tipps vom Profi: Gute Körperhaltung beim Gaming
Das lange Sitzen in der immer gleichen Position ist dennoch auch in jungen Jahren kein Spaß für den Körper. Hinzu kommt, dass Konzentration, Spannung und Freude am Spielgeschehen die User*innen so ablenken, dass sie die körperlichen Belange weniger aufmerksam verfolgen. Die somatische (= körperliche) Intelligenz, das intuitive Bestreben des Körpers, sich durch Bewegung zu entlasten indem er sich umsetzt, aufsteht, sich streckt oder ein paar Schritte geht, wird oft unterdrückt oder ignoriert.
eSport: Körperlicher Ausgleich ist das A und O für eSportler*innen
Das A und O für das eSport-Spiel ohne späte Reue, wegen Muskelverspannungen oder gar Bandscheibenschäden, ist also körperlicher Ausgleich.
Befragungen haben gezeigt, dass sowohl Amateur*innen des wettkampforientierten virtuellen Sports als auch professionelle eSport-Aktive durchschnittlich etwa vier Stunden pro Tag spielen. Abhängig sind diese Trainingszeiten auch davon, ob es gerade eine neue Version eines Spieles zu erkunden gibt oder ob ein wichtiger Wettkampf ansteht. Da ist es beim eSport wie mit den meisten Fertigkeiten: Übung macht den Meister oder die Meisterin.
Trotzdem hält auch der ESBD die Spielenden dazu an, für eine ausgewogene Ernährung und körperlichen Ausgleich zu sorgen. Jedes Training braucht Erholungsphasen sowie gezielte und unterschiedliche Trainingsreize – auch beim eSport.
So können Aktive auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn sie ihrem Gehirn Ruhephasen gestatten und ein Ausgleichstraining absolvieren, um etwa Konzentrationsschwächen oder Rückenbeschwerden vorzubeugen.
Dazu kommt, dass die Spielzeiten nicht die einzigen Sitzzeiten sind. Das Gesäß dient auch beim Streamen, Arbeiten, Auto- oder Bahnfahren, Essen oder im gemeinschaftlichen Beisammensein als bevorzugte Nutzfläche. Die Autoren der DSHS kommen bei ihren Befragungen auf durchschnittlich 7,7 Stunden Sitzzeit pro Tag. Immerhin sind über die Hälfte (631 Personen) der 1.171 Befragten wenigstens zweieinhalb Stunden pro Woche körperlich aktiv.
Tipps gegen Muskelverspannungen – nicht nur für eSportler*innen
Die Techniker Krankenkasse (TK) regt an, sich zum Thema einfach mal schlau zu machen. Ein guter Anfang kann das unten eingebettete Video sein. Darin befragt die ehemalige Profi-Gamerin und eSport-Journalistin Melly Balgün den eSport-Arzt Dr. Matthew Hwu aus Los Angeles und entlockt ihm ein paar spezielle Tipps, wie eSportler*innen verspannten Muskeln und einseitig belasteten Gelenken entgegenwirken. Die Extra-Trainingseinheiten in der analogen Welt für mehr körperliche Fitness ersetzen diese Übungen allerdings nicht.
Medienkompetenz ist wichtig – auch für eSportler*innen
Wer sich mit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen eSport und körperlichem Ausgleich auseinandersetzt, zeigt darüber hinaus einen Aspekt digitaler Medienkompetenz. Die gut ausgeprägte Fähigkeit, mit digitalen Medien umzugehen, sie bewusst einzusetzen, sich bewusst von ihnen zu lösen und Ausgleich zu schaffen, ist zu einer Lebenskompetenz geworden.
Eine gut ausgeprägte Digitalkompetenz kann vor exzessivem Medienkonsum schützen und damit vor der Computerspielsucht, die ebenso oft mit dem intensiven PC-Spiel verbunden wird. Vor diesem Hintergrund ist es nicht das Computerspiel, das per se gut oder schlecht ist. Es ist die Art und Weise, wie der Mensch es einsetzt, die dazu führt, dass die Facetten und Rahmenbedingungen des eSports ihn bereichern oder ihm schaden.
- Dr. Jens Baas im Spiel und Gespräch mit Melly Balgün über eSport
- Kriterien für eine Computerspielsucht / (Internet) Gaming Disorder
- Online-Selbsttest für Gaming Disorder Tendenz
Blogartikel-Serie zu eSport
Dieser Gastbeitrag wurde im Rahmen unserer Blogartikel-Serie zu eSport veröffentlicht. Schau doch auch mal in die anderen Beiträge rein: