Alle reden von Medienkompetenz. Doch was ist das überhaupt? Klar, irgendwas mit Medien und Fähigkeiten oder Wissen… Aber was genau bedeutet Medienkompetenz? Was beinhaltet das Konzept? Und gibt es überhaupt ein Konzept?
Medienkompetenz nach Dieter Baacke
Erstmal ein klares Ja: Konzepte von Medienkompetenz gibt es einige. Am einflussreichsten ist sicherlich das vom Medienpädagogen Dieter Baacke aus den 90er Jahren. Bis heute findet es in der Pädagogik Anwendung. Es gibt noch eine Reihe anderer Konzepte, die aber zumeist auf Baackes Definition aufbauen und / oder dieser sehr ähnlich sind.
Baacke schreibt 1997 über das Ziel von Medienkompetenz: „Medienkompetenz soll den Nutzer befähigen, die neuen Möglichkeiten der Informationsverarbeitung souverän handhaben zu können. Der humane Fortschritt geht heute – und dies ist nicht rückgängig zu machen – über elektronische Technologien. Um an ihm teilhaben zu können, müssen wir uns in der Medienwelt auch zurechtfinden. Medienkompetenz will genau dies ermöglichen.“
Dimensionen von Medienkompetenz
Baacke unterteilt Medienkompetenz in vier Dimensionen, um verschiedene Gesichtspunkte unseres Umgangs mit Medien zu beleuchten. Diese vier Dimensionen sind:
- Medienkritik
- Medienkunde
- Mediennutzung
- Mediengestaltung
Die vier Dimensionen werden von Baacke noch detaillierter erklärt. Auch sie haben unterschiedliche Bestandteile oder Blickwinkel, die wir uns im Folgenden einzeln anschauen. Die Beispiele stammen überwiegend von unserem Redaktionsteam. 1997 gab es weder Smartphones noch soziale Medien.
Medienkritik
Die Medienkritik wird aus analytischer, reflexiver und ethischer Sicht betrachtet.
Baacke schreibt: „Analytisch sollten problematische gesellschaftliche Prozesse angemessen erfasst werden können.“ Beispielhafte Fragen könnten hier sein: Weißt Du, dass Instagram und WhatsApp zu Facebook gehören? Ist dir bewusst, dass private Fernsehsender und die meisten sozialen Netzwerke über Werbung finanziert werden?
Aber nicht nur der Einfluss von Medien auf die Gesellschaft, sondern auch auf Einzelpersonen ist für Baacke wichtig: „Reflexiv sollte jeder Mensch in der Lage sein, das analytische Wissen auf sich selbst und sein Handeln anwenden zu können.“ Ist dir bewusst, dass Medienkonsum dich beeinflussen kann? Manche Medien nutzen dafür sogar psychologische Tricks (zum Beispiel hier und hier). Kennst du sie und weißt du, wie du dich vor ihnen schützen kannst?
Ethisch ist nach Baacke „die Dimension, die analytisches Denken und reflexiven Rückbezug als sozialverantwortet abstimmt und definiert.“ Findest Du alles gut und moralisch vertretbar, was in den Medien geschieht? Was stört dich und was kannst du dagegen tun? Was ist beispielsweise mit Fake News, Cybermobbing oder Hate Speech?
Medienkunde
Unter Medienkunde versteht Baacke das Wissen über Medien und Mediensysteme. Er unterscheidet zwischen einer informativen und einer instrumentell-qualifikatorischen Medienkunde.
„Die informative Dimension umfasst klassische Wissensbestände“, schreibt Baacke. Zum Beispiel: Was ist ein duales Rundfunksystem? Wie arbeiten Journalist*innen? Welche sozialen Netzwerke gibt es? Welche Computerspiel-Genres gibt es? Was sind Fake News? Wo bekommst Du Hilfe, wenn meine Mediennutzung zu einem Problem wird?
Mit der instrumentell-qualifikatorischen Dimension meint Baacke „die Fähigkeit, die Geräte auch bedienen zu können“. Also beispielsweise: Wie lädst Du eine App auf Dein Handy oder Deinen Computer herunter? Wie kannst du Geräte miteinander verbinden? Was macht ein sicheres Passwort aus? Wie kannst Du unerwünschte Nutzer*innen in den sozialen Medien blockieren? Wo kannst Du Hate Speech melden? Wie kannst Du Dich von einem Newsletter abmelden? Wie kannst Du online nach seriösen Quellen recherchieren?
Mediennutzung
Die Mediennutzung kann nach Baacke rezeptiv oder interaktiv erfolgen.
Rezeptiv ist beispielsweise das Schauen von Fernsehen, Netflix oder das Lesen eines Buches. Die Kommunikation erfolgt hier einseitig, das heißt du siehst oder liest etwas, ohne den Produzent*innen unmittelbar Rückmeldung geben zu können. An wen kannst Du Dich wenden, wenn Dich solche Inhalte bedrücken? Woran merkst Du, wenn dein Medienkonsum überhandnimmt und andere Lebensbereiche darunter leiden?
Interaktiv wird die Mediennutzung dann, wenn Du direkt auf die Inhalte reagieren und mit den Anbieter*innen kommunizieren kannst. Möglich ist dies zum Beispiel mit Kommentaren oder dem „Daumen hoch/runter“ bei YouTube-Videos. Live-Chats oder Webinare sind ebenfalls interaktiv. Ist dir bewusst, dass die Anzahl der Likes nur wenig über den Wahrheitsgehalt eines Inhalts aussagt? Wie kannst du jemandem sachlich konstruktive Kritik geben, wenn Dir ein Inhalt missfällt? Auch Computerspiele können als interaktiv angesehen werden, selbst wenn du alleine spielst. Denn hier musst Du Entscheidungen treffen, deren Folgen Du direkt im Spielverlauf erlebst.
Mediengestaltung
Für Baacke gehört nicht nur der kompetente Konsum zur Medienkompetenz, sondern auch, dass Du selbst in der Lage bist, eigene Medien zu produzieren. Das muss kein Hollywood-Blockbuster sein. Auch Tanzvideos bei TikTok, Insta-Storys oder ein lustiger Tweet gehören dazu.
Mediengestaltung kann nach Baacke einerseits kreativ sein. Die vielen Möglichkeiten Fotos und Storys zu bearbeiten, sind hierfür ein gutes Beispiel. Medienkompetenz bedeutet hier etwa, dass Du Persönlichkeitsrechte, Urheber- und Nutzungsrechten beachtest. Auch zu wissen, was ok ist und wann Bildbearbeitung zu viel wird, gehört dazu. Beine wie eine Giraffe, Taille wie eine Wespe und Glubschaugen sind beispielsweise alles andere als natürlich. Wollen wir uns mit solchen Fotos wirklich gegenseitig belügen?
Andererseits kann Mediengestaltung sogar innovativ sein. Die Erfindung des Smartphones oder von Facebook zählen sicherlich zu den größten Innovationen in der Medienwelt. Aber auch Du kannst innovativ Medien gestalten: Wenn Dir zum Beispiel einen neuen Tanz für TikTok, ein neues Meme oder eine Challenges ausdenkst. Frage Dich hierbei: Wie gefährlich ist Deine Challenge für andere Menschen? Verletzt Dein Meme die Grundrechte einer Person oder Personengruppe? Kannst Du es wirklich vertreten, sie hinaus in die Welt zu lassen?
Literatur
Baacke, Dieter (1997): Medienpädagogik. Grundlagen der Medienkommunikation, Band 1, S. 96-102.