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Mensch sitzt vor einem Laptop, im Hintergrund ist einen große Uhr zu sehen.

Bild: Kevin Ku/Unsplash

Pull to Refresh: Internet ohne Ende?

02 Mai 2019

Lesezeit 7 Minuten

Wir sind über ein paar interessante Hinweise in journalistischen Artikeln gestolpert. Hast Du schon einmal von Pull to Refresh und Infinite Scrolling gehört?

Normalerweise verwenden wir für unsere Blogartikel nur offizielle oder wissenschaftliche Quellen und Studien. Zu diesen Themen gibt es bisher aber nur wenige wissenschaftliche Quellen. Und deutschsprachige Texte konnten wir gar keine finden. Wir möchten aber nur Quellen verwenden, die Du selbst überprüfen und nachlesen kannst. Da wir das nicht von Sprachkenntnissen abhängig machen möchten, verlinken wir in diesem Blogbeitrag ausnahmsweise ein paar journalistische Artikel.

Zurück zu Pull to Refresh und Infinite Scrolling. Sie begegnen Dir zum Beispiel in den sozialen Netzwerken in Deinem Newsfeed. Der Newsfeed ist der Bereich, in dem Dir die Neuigkeiten von Deinen Freund*innen und Lieblingsseiten angezeigt werden. Hier bekommst Du zahlreiche Beiträge zu sehen, die Du von oben nach unten durchgucken, kommentieren oder teilen kannst.

Pull to Refresh = Ziehen zum Aktualisieren

Pull to Refresh ist Englisch und heißt ins Deutsche übersetzt wörtlich Ziehen zum Aktualisieren. Wenn Du im Newsfeed weit nach unten gehst, kommt vielleicht irgendwann ein vorläufiges Ende. Vorläufig ist es deshalb, weil Du meistens die Möglichkeit hast, noch mehr Neuigkeiten angezeigt zu bekommen. Manchmal musst Du dazu auf ein Mehr anzeigen klicken.

Manchmal reicht es aber auch, einfach einmal mit dem Finger zu ziehen. Das ist natürlich nur bei Touch-Displays (Bildschirme, die auf Berührungen reagieren) möglich. Also zum Beispiel auf dem Smartphone oder dem Tablet. Du wischt den Newsfeed mit dem Finger nach oben und schon laden sich neue Beiträge. Ziehen zum Aktualisieren. Pull to Refresh.

Frau steht vor einem Bücherregal und liest auf ihrem Smartphone.

Foto: rawpixel/pixabay

Ist Pull to Refresh der einarmige Bandit der sozialen Netzwerke?

Saee Paliwal beschäftigt sich seit einigen Jahren mit Verhaltenssüchten. Sie arbeitet an der Eidgenössichen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Eines ihrer Forschungsergebnisse ist laut dem Magazin brandeins, dass man Social Media Apps mit Glücksspielautomaten vergleichen kann. Den Artikel in brandeins hat Martin Fehrensen (ehem. Giesler) geschrieben. Er ist Journalist, Blogger und Herausgeber des Social Media Watchblogs.

Vielleicht kennst Du den Glückspielautomaten, bei dem man einen Hebel an der Seite nach unten ziehen muss. Daraufhin kommen im Fenster des Automaten verschiedene Symbole ins Rollen. Wenn das Rollen stoppt und überall das gleiche Symbol angezeigt wird, hat man gewonnen. Man nennt den Automaten umgangssprachlich auch den einarmigen Banditen.

Saee Paliwal vergleicht diesen Spielautomaten mit dem Pull to Refresh. Wir ziehen nach unten und warten gespannt, ob es tolle Neuigkeiten gibt. Wenn ja, freuen wir uns. Wenn nicht, ziehen wir weiter und weiter und…

Wie sehr zieht uns das Ziehen in den Bann?

Den Vergleich von Pull to Refresh und anderen Social Media Funktionen zu Glücksspiel zieht auch Tristan Harris. Er hat früher für Google gearbeitet und nachgeforscht, wie andere Technik-Unternehmen ihre Nutzer*innen möglichst süchtig nach ihren Angeboten machen können. In einem Artikel der Zeitung der Freitag schreibt der preisgekrönte Journalist Paul Lewis über Tristan Harris und andere Entwickler, die den großen Technik-Konzernen den Rücken gekehrt haben. Ihre Motivation: Ethische Bedenken und/oder Selbstschutz.

Selbst der Entwickler von Pull to Refresh, Loren Brichter, erkennt laut dieses Artikels das Glücksspiel-Prinzip seiner Erfindung wieder. „Pull-to-Refresh macht süchtig“, so Loren Brichter. „Als ich damals daran arbeitete, war ich nicht reif genug, um über die Folgen nachzudenken. Ich […] bereue definitiv die Schattenseiten.“ Inzwischen versucht er selbst, sich aus dem Sog der sozialen Medien zu befreien, wie in dem Artikel erläutert wird.

 Person liest Newsfeed auf dem Handy.

Foto: Charles/Unsplash

Kann man Pull to Refresh wirklich mit Glücksspiel vergleichen?

Klassisches Glücksspiel zeichnet sich dadurch aus, dass man Geld einsetzten muss und der Ausgang überwiegend oder komplett vom Zufall abhängt. Wie zufällig sind die Beiträge, die uns in unserem Newsfeed angezeigt werden? Immerhin werden diese von Algorithmen (Entscheidungssysteme aus künstlicher Intelligenz) zusammengestellt.

Wir bezahlen unseren Social Media Newsfeed nicht mit Geld und können auch keines gewinnen. Die Währung könnte jedoch eine andere sein. Wir können interessante Neuigkeiten, spannende Geschichten oder schöne Fotos gewinnen. Und womit bezahlen wir? Mit unserer Zeit? Oder mit unseren Daten?

Die Antworten auf all diese Fragen bleiben wir Dir an dieser Stelle leider schuldig. Wir werden das Thema aber auf jeden Fall weiter im Auge behalten und vielleicht in einem zukünftigen Blogartikel noch einmal darauf zurückkommen.

Infinite Scrolling = Internetseite ohne Ende?

Doch was passiert mit uns, wenn wir immer wieder nach unten ziehen, immer wieder aktualisieren, immer wieder neue Inhalte laden können? Hat unser Newsfeed überhaupt noch ein Ende? Endet unser „kurze“ Blick in die Neuigkeiten irgendwann auch wieder? Die scheinbar unendliche Liste von Inhalten auf einer Internetseite bezeichnet man als Infinite Scrolling, manchmal auch als Endless Scrolling. Beides kommt aus dem Englischen und bedeutet Endloser Bildlauf.

Stell Dir vor, Du liegst abends im Bett und möchtest noch etwas lesen. Du nimmst ein Buch und liest los. Irgendwann wirst Du zu müde, Deine Augen zu schwer, um weiter zu lesen. Du sagst Dir: Eine Seite noch, es ist doch gerade so spannend. Diese eine Seite gibt es beim Infinite Scrolling aber nicht. Du musst/kannst nicht mehr auf die nächste Seite klicken (oder umblättern), bevor Du weitere Inhalte angezeigt bekommst. Du kannst einfach immer wieder am unteren Rand Deines Bildschirms ziehen, um neue Inhalte zu laden. Immer und immer weiter, theoretisch endlos. Das kann man sich ungefähr so vorstellen, als würde man mit einer endlos langen Schriftrolle im Bett liegen.

Eine digitale Uhr, die Minutenanzeige in Bewegungsunschärfe

Foto: Djim Loic/Unsplash

Infinite Scrolling: Lesen ohne zeitliches Ende?

Ohne Seiten oder andere Orientierungspunkte kann man schnell das Zeitgefühl verlieren. Wie lange habe ich schon gelesen? Wie viel habe ich schon gelesen? Wie viel will ich noch lesen? Wie viel ist genug? Wo/wann soll ich aufhören? Ist es Dir schon einmal passiert, dass Du mit Deinem Handy oder Tablet ins Bett gegangen bist, wolltest nur noch kurz jemandem „Gute Nacht“ schreiben, warst Dann aber doch noch eine halbe Stunde oder länger beschäftigt?

In diesem Artikel haben wir eine Menge Fragen aufgeworfen. Und viele davon konnten wir nicht beantworten. Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass in dieser Richtung mehr geforscht werden müsste. Zumindest hoffen wir darauf. Die Ergebnisse fänden wir hoch interessant. Bis dahin darfst Du unsere Fragen gerne als Denkanstoß nehmen. Wie viel Zeit willst Du wirklich in Deinem Newsfeed verbringen? Behalte die Uhr im Blick oder stell Dir einen Wecker. Vielleicht lässt Du Deinen Abend auch zur Abwechslung mal mit einem Buch ausklingen?

Quellen
Füße auf einer Körperwaage: Menschen mit einer Essstörung haben oft ein krankhaftes Körpergewicht. Zu dick oder zu dünn? Verharmlosung von Essstörungen im Internet Mehrere Menschen legen ihre Hände aufeinander nach dem Motto "Einer für alle, alle für einen". Junge Selbsthilfe – Von wegen Selbsthilfe ist nur was für alte Leute!
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