Blog

Holzkiste mit Geld

Foto: Pezibear / Pixabay.com

Lootboxen: Glücksspiel in Computerspielen?

01 Juli 2021

Lesezeit 6 Minuten

Geschenke packt doch jeder gerne aus, oder nicht? Viele von uns freuen sich wie ein kleines Kind, wenn sie eine verschlossene Kiste mit einer Schleife oben drauf vor die Nase gestellt bekommen. Diese kindliche Freude am Geschenke-Auspacken machen sich die Hersteller mancher Videospiele zu Nutze, wenn sie ihren Spieler*innen eine ganz besondere Form der Belohnung präsentieren. Ob Assassins Creed Origins, Overwatch oder FIFA Ultimate Team: In vielen Computerspielen finden sich inzwischen sogenannte Lootboxen. Nur dass diese in der Regel kein Geschenk sind, sondern hart verdient oder (teuer) erkauft.

Bereits letzte Wochen haben wir uns in einem Blogbeitrag mit dem Thema Monetarisierung von Videospielen beschäftigt. Monetarisierung heißt: Wie lässt sich mit den Spielen Geld verdienen. Das kann einerseits durch den Kaufpreis an sich geschehen, andererseits durch Käufe, die wir im Nachhinein noch im Spiel tätigen. Den Blogbeitrag dazu kannst du hier nachlesen. Ein Aspekt dieses Themas ist aber so komplex, dass wir ihm einen eigenen Artikel widmen möchten: Lootboxen. Hier erstmal eine kurze Erklärung für diejenigen, denen der Begriff Lootbox bisher noch nicht untergekommen ist.

Was ist eine Lootbox?

Der Begriff Lootbox kann als Beutekiste übersetzt werden und stellt eine virtuelle Kiste dar, in der die Spieler*innen besondere Belohnungen wie beispielsweise Kleidung für einen virtuellen Charakter, Sammelbilder, Waffen und ähnliche Dinge erhalten. Diese Dinge verschaffen Vorteile im Spiel oder haben einen ideellen Wert. Vor dem [Öffnen] einer Lootbox ist der Inhalt nicht bekannt, die Spieler*innen wissen also nicht, was sie erwerben.

Lootboxen können auf unterschiedliche Arten erworben werden:

  1. Als Belohnung für gute Leistungen im Spiel
  2. Kauf mit Spielwährung, die Spielende im Laufe des Spiels verdient haben
  3. Kauf mit echtem Geld (eventuell muss dieses vorher in Spielgeld umgetauscht werden)

Diese Erklärungen stammt aus einem Artikel von Dr. Jonas Krainbring und Marcus Röll (2018), in dem sie der Frage nachgehen, ob Lootboxen als Glücksspiel bewertet werden können oder nicht. Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns erst einmal ansehen, was Glücksspiel überhaupt ausmacht.

Was ist Glücksspiel?

Der britische Psychologe Mark Griffith hat für die Definition von Glücksspiel fünf Punkte erarbeitet:

Definition von Glücksspiel (Griffiths 1995):

  1. Geld oder wertvolle Güter werden investiert und ausbezahlt
  2. Zukünftiges Ereignis definiert den Gewinn
  3. Gewinn ist zumindest teilweise von Glück abhängig
  4. Nichtteilnahme vermeidet Verluste
  5. Gewinner bereichern sich auf Kosten der Verlierer

Treffen diese Punkte auf Lootboxen zu?

Playstation-Controller

Foto: Florian Gagnepain / Unsplash.com

Lootboxen und Gewinnausschüttung

Die Antwort von Krainbring und Röll lautet: Ja, aber mit Einschränkung. Lootboxen können ihrer Ansicht nach dann als Glücksspiel betrachtet werden, wenn der Gewinn wieder zu Geld gemacht werden kann, beispielsweise durch Verkauf im Internet. Die anderen Punkte treffen ihrem Urteil nach auf Lootboxen zu.

Auch andere Expert*innen kommen zu der Einschätzung, dass Lootboxen nicht ganz identisch mit klassischem Glücksspiel sind, aber viel gemeinsam haben: Den Punkt der fehlenden Gewinnausschüttung bemängeln beispielsweise auch Rune Kristian Lundedal Nielsen und Paweł Grabarczyk (2018) von der Universität Kopenhagen. Der Gewinn bei Lootboxen hat in der analogen Welt ihrer Ansicht nach keinen Wert (Punkt 1). Die Möglichkeit, gewonnene Items an andere Spieler*innen zu verkaufen, sehen die beiden gar nicht. Stattdessen kritisieren sie den unscharfen Begriff der Lootboxen, da diese in ihrer Ausgestaltung und in ihrer Rolle innerhalb des Spiels doch sehr unterschiedlich sein können.

Unfairer Spielvorteil und Jugendschutz bei Lootboxen

Eine solche Unterscheidung könnte auch bei Drummond und Sauer (2018) auf Zustimmung stoßen: Sie sehen vor allem solche Lootboxen kritisch, die Spielgegenstände enthalten können, die zu einer besseren Spielleistung beitragen können (im Gegensatz zu kosmetischen Gegenständen). Diese vermitteln dem Spieler die Illusion einer echten Belohnung, so ihr Argument. Auch Griffiths (2018) hebt den Belohnungsaspekt besonders hervor. Hier vor allem das Prinzip der zufälligen Belohnung, das sich auch beim klassischen Glücksspiel findet (Punkt 3 der Definition).

Drummond und Sauer (2018) weisen außerdem auf den mangelnden Jugendschutz bei glücksspielähnlichen Elementen in Videospielen hin. Nach der Neufassung des Jugendmedienschutzes vom 1. Mai 2021 sollen Lootboxen zukünftig als sogenanntes „Interaktionsrisiko“ bei der Altersfreigabe von Spielen mitgedacht werden. Die konkrete Ausgestaltung ist aber noch offen.

Lootboxen, Glücksspiel und Suchtgefahr

Die Hessische Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS) warnt:

Die Abgrenzung zwischen einem Videospiel als Unterhaltungsspiel und einem Glücksspiel ist nicht mehr trennscharf. Es entsteht eine Verschmelzung von Online-Spielen mit Online-Glücksspielen.

Die HLS bemängelt außerdem, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen, denen klassische Glücksspiele unterliegen, nicht für Videospiele mit glücksspielähnlichen Elementen gelten. Die Gefahren und Risiken des Online-Glücksspiels sind ihrer Einschätzung nach gerade für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene besonders drastisch. Darüber hinaus sieht die HLS in Glücksspielinhalten in digitalen Spielen ein Risiko hinsichtlich einer möglichen Suchtentwicklung.

In manchen europäischen Ländern sind Lootboxen inzwischen verboten, beispielsweise in Belgien und den Niederlanden. Andere Länder ziehen nach und wollen die Risiken von Lootboxen zumindest überprüfen.

Mehr zu Lootboxen und Glücksspiel

Das war Dir alles zu theoretisch? Welche Probleme Lootboxen mit sich bringen können, zeigt das hr-Fernsehen sehr anschaulich am Beispiel FIFA Ultimate Teams (6:21 Minuten):

Quellen

webcare+ Roadshow Handysucht webcare+ Roadshow durch Hessen gegen Handysucht Sparschwein mit Goldmünzen Free-to-Play und Pay-to-Win: Monetarisierung von Videospielen
Diesen Artikel Teilen auf:
Interessante Beiträge

Du hast Fragen oder Anregungen?

Schreib uns gerne eine Nachricht, wir helfen Dir weiter.