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Sparschwein mit Goldmünzen

Foto: brano / Unsplash.com

Free-to-Play und Pay-to-Win: Monetarisierung von Videospielen

24 Juni 2021

Lesezeit 6 Minuten

Die meisten Menschen haben Spaß am Spielen. Umso schöner kann es sein, wenn ein Spiel auch noch kostenfrei ist. Kostenfreie digitale Spiel nennen sich Free-to-Play (übersetzt: Kostenlos zu Spielen). Hast Du schon einmal ein Free-to-Play-Spiel gespielt? War es wirklich komplett kostenfrei?

Auch wenn wir das Spiel ohne Bezahlung erwerben können: Im Spiel selbst werden uns dann häufig doch Dinge zum Kauf angeboten. Wir meinen damit nicht klassische Werbeanzeigen, wie sie auch in sozialen Netzwerken und auf ganz normalen Internetseiten zu finden sind. So etwas gibt es in Spielen zwar auch, wir reden hier aber von spielbezogenen Kaufangeboten, beispielsweise damit dein Spielcharakter anders aussieht oder bessere Leistung erbringt. Auch in kostenpflichtigen Spielen gibt es solche Angebote. Sie werden als In-Game-Käufe (übersetzt: Käufe im Spiel) bezeichnet.

Und manchmal haben wir das Gefühlt, im Spielverlauf ohne finanzielle Investition schlichtweg nicht weiter zu kommen. Wir brauchen eine bessere Waffe oder wollen ein Gebiet betreten, zu denen uns der Zugang ohne Bezahlung verwehrt bleibt. Oder wir kaufen uns mit Echtgeld von vorneherein starke Vorteile gegenüber anderen Spielenden. Dann ist die Rede von Pay-to-Win (übersetzt: Bezahlen, um zu gewinnen).

Wie (un)fair sind Free-to-Play und Pay-to-Win?

Soweit so gut. Wenn jemand unbedingt Geld ausgeben möchte, um seinen Spielspaß zu steigern, ist doch nichts Schlimmes dabei, oder? Die Sache hat aber leider einen gewaltigen Haken:

Die Monetarisierung von Computerspielen erreicht einen unfairen, ja kritisch zu bewertenden Punkt, an welchem Spielende aktiv ausgenutzt werden.

So lautet zumindest die Einschätzung eines Forschungsteams um den Psychologen Daniel L. King (2019). Die Wissenschaftler*innen aus Australien und Europa haben sich über 400 Patente für In-Game-Käufe angesehen. Darunter auch ein gutes Dutzend Patente, die sich gezielt mit der Interaktion zwischen Spieler*innen und Bezahlsystem beschäftigen.

Doch was ist so unfair daran, für mehr Spielvergnügen etwas Geld zu investieren? Das lässt sich anhand von vier Punkten aufmachen:

  1. Künstliche Intelligenz
  2. Pay-Wall
  3. Krumme Beträge
  4. Glücksspielähnliche Elemente

Pay-to-Win mit System: Spielverhalten analysieren

Die patentierten Bezahlsysteme können unser Spielverhalten analysieren, Preise und Rabatte anpassen und so den besten Zeitpunkt für Kaufangebote ermitteln. Spielende können dadurch zu häufigeren und höheren Ausgaben angeregt werden. Die Systeme machen auch keinen Halt vor besonders gefährdeten Gruppen von Spielenden, beispielswiese vor Kindern oder Spielsüchtigen.

Kind mit Switch

Foto: Kelly Sikkema / Unsplash.com

Viele Computerspiele sind zu Beginn sehr offen gestaltet. Wir können alles erkunden, entdecken und ausprobieren. Wenn es dann so richtig spannend wird, geschieht es plötzlich: Ohne Bezahlung geht’s nicht weiter. Manchmal heißt es nur, wir müssten ein paar Stunden warten, dann geht’s weiter. Manchmal gibt es aber auch Barrieren, die wir ohne Geld schlichtweg nicht überwinden können.  Solche Pay-Walls (übersetzt: Bezahl-Schranken) gibt es in vielen Spielen.

In-App-Käufe: Geldbeträge verschleiern

Wenn wir uns dann dazu haben verleiten lassen, Geld auszugeben, erwartet uns oft direkt der nächste Trick. Die Beträge von Echtgeld und Spielwährung sind so krumm, dass es uns schwerfällt, umzurechnen. Beispiel: 5 Goldmünzen für 1,95 Euro. Wie lange brauchst Du, um den Preis für eine Goldmünze auszurechnen?

Meist werden auch Mengenrabatte angeboten. Beispielsweise 5 Münzen für 1,95 Euro (= 0,39 Euro pro Münze), 10 Münzen für 3,50 Euro (= 0,35 Euro pro Münze) und 50 Münzen für 14,50 Euro (= 0,29 Euro pro Münze). Das Ziel dahinter: Wir sollen uns für ein teureres Angebot entscheiden – also mehr Geld ausgeben – und gleichzeitig das Gefühl bekommen, gespart zu haben.

Der Sozialpädagoge Christian Schaack (2019) vom Referat Suchtprävention der Landeszentrale für Gesundheitsförderung Rheinland-Pfalz erklärt dazu:

Spielenden wird über diesen Weg erschwert, jederzeit den Überblick zu bewahren, wieviel echtes Geld gerade von ihnen investiert wird.

Lootboxen: Glücksspiel in Videospielen?

Auch Lootboxen sind Teil der Monetarisierungsstrategie von Spieleanbieter*innen. Diese werden häufig als Glücksspiel oder glücksspielähnliche Elemente in Computerspielen kritisiert. Mit Lootboxen möchten wir uns demnächst nochmal in einem eigenen Artikel beschäftigen.

Gaming App auf einem Smartphone

Foto: Screen Post / Unsplash.com

Du siehst also: Da stecken ein paar ganz gemeine Tricks hinter vermeintlich kostenfreien Spielen und In-Game-Käufen. Wer diese Tricks kennt – und Du gehörst jetzt dazu – kann sich besser davor schützen, sich von ihnen an der Nase herumführen zu lassen. Ein paar kleine Ausgaben können sich nämlich mitunter schnell zu großen Beträgen summieren. Also Augen auf beim In-Game-Kauf!

Free-to-Play, Pay-to-Win und Computerspielsucht

Süchtige Computerspielende haben ein erhöhtes Risiko in digitalen Spielen mit Monetarisierungselementen mehr Zeit und mehr reales Geld zu verlieren.

Diesen Zusammenhang zwischen Computerspielsucht (Gaming Disorder) und der Höhe der Ausgaben in Free-To-Play-Spielen haben die Mainzer Forscher*innen um Michael Dreier (2017) beschrieben. In einer repräsentativen Untersuchung mit 3.967 Jugendlichen (12-18 Jahre) aus Rheinland-Pfalz, hatten 1.485 Personen schon Erfahrungen mit Free-To-Play-Spielen gemacht. 5,2 Prozent erfüllten die Kriterien für eine Computerspiel- und Internetsucht. 17,4 Prozent wiesen zumindest ein paar der Suchtkriterien auf.

Auch die PINTA-Studie (Rumpf 2011) erkennt einen Zusammenhang: Abhängig Spielende verbringen nicht nur fast doppelt so viel Zeit im Internet wie Menschen mit unauffälligem Spielverhalten. Sie geben zudem deutlich mehr Geld aus, durchschnittlich mehr als drei Mal so viel.

Auch Schulden sind ein Thema: Die Rheinland-Pfälzer Suchtberatungsstellen haben ihre Klient*innen gefragt, wie viel Geld sie in digitalen Spielen ausgegeben haben. Durchschnittlich waren es etwa 2.600 Euro. Die Spannweite reichte allerdings von 5 Euro bis hin zu 80.000 Euro. Etwa ein Drittel der Spielsüchtigen hatte mit finanziellen Problemen oder Schulden zu kämpfen (Schaack 2017).

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