Dieses Video über den Smartphone-Nacken zeigt anschaulich, warum Bisons mit ihrer starken Nackenmuskulatur die besseren körperlichen Voraussetzungen als wir haben, um ein Smartphone zu benutzen. Wenn sie nur unsere Finger hätten…
Wie ungesund ist die „Kopf-nach-unten-Haltung“ für unseren Körper?
Wir kennen sicher alle die im Video gezeigte Haltung mit dem Kopf nach unten. Nicht nur, wenn wir auf das Smartphone starren, auch beim Lesen und Tätigkeiten am Computer oder Laptop bei ungünstiger Sitzposition. Beim Essen starren viele Menschen ebenfalls nach unten auf den Teller, es sei denn, wir essen in Gesellschaft und schenken dieser immer wieder Beachtung. Der Kopf bewegt sich dabei, wenn wir aufblicken.
Dr. Joachim Mallwitz, Facharzt für Orthopädie und Physiotherapeut, erklärt in einem Blogbeitrag des Rücken-Zentrum Am Michel in Hamburg die Belastungen für den Nacken durch den ständigen Blick auf das Smartphone oder den Laptop, ähnlich wie im oben gezeigten Video. Unsere Wirbelsäule ermöglicht uns, den Kopf bis zu 90° nach unten zu neigen. Allerdings stellt dies eine starke Belastung für die Bänder und Muskulatur dar. Diese sind nicht für eine Dauerbelastung ausgelegt. Die möglichen Folgen sind Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich oder Spannungskopfschmerzen.
In einem Beitrag von 2014 greift die Süddeutsche die Idee auf, dass wir uns evolutionär weiterentwickeln zum „Homo oeconomicus smartphoniensis“.
Weil die Bänder im Halsbereich den immer schwerer nach unten ziehenden Kopf halten müssen, werden die Knochen der Wirbelsäule mitwachsen.
Bis es soweit ist und der menschliche Nacken die Stärke eines Bisons erreicht hat, müssen wir auf unseren schwachen Nacken Acht geben, um Schmerzen zu vermeiden.
Stimmung
Neben den körperlichen Schmerzen kann das langen Starren auf ein Smartphone auch eine emotionale Konsequenz haben. Wenn wir uns niedergeschlagen fühlen, lassen wir den Kopf hängen. Doch was passiert mit unseren Emotionen, wenn wir den Kopf nach unten richten, um lange auf das Smartphone zu starren?
Weine ich, weil ich traurig bin oder bin ich traurig, weil ich weine?
Das ist die „Henne und Ei“- Frage der Psychologie. Was war zuerst da, die körperliche oder die emotionale Reaktion?
Ich bin traurig, weil ich weine
Mit dieser Frage befassten sich bereits in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts die beiden Psychologen William James und Carl Lange. Sie gingen in ihrer viel kritisierten „James-Lange-Theorie“ davon aus, dass auf einen äußeren Reiz zunächst eine körperliche Reaktion folgt und im Anschluss die emotionale. Das würde bedeuten, ich fühle mich traurig, weil ich weine. Entsprechend könnten wir uns tatsächlich auch traurig fühlen, weil wir eine Körperhaltung eingenommen haben, die mit niedergeschlagenen Emotionen einhergeht.
Ich bin traurig, weil ich weine und die Situation als traurig bewerte
1964 betrachteten Stanley Schachter und Jerome E. Singer das Problem komplexer. Auch sie gehen davon aus, dass der Körper durch physiologische Reaktionen Emotionen auslöst. Allerdings führen sie in ihrem „Zweikomponentenmodell der Emotionen“ neben der physiologischen Reaktion einen zweiten Faktor hinzu: die Bewertung der Situation. Daraus folgt, dass ich traurig bin, wenn ich weine und die Situation als traurig einschätze. Übertragen auf den hängenden Kopf beim Smartphone würde das bedeuten, dass wir uns nur dann niedergeschlagen fühlen, wenn wir beim Starren auf das Smartphone unsere Situation negativ bewerten, z.B. weil es nur negative Nachrichten gibt oder wir, gerade weil wir uns nicht gut fühlen, Ablenkung im Smartphone suchen.
Auch diese Theorie wurde vielfach kritisiert und Studien konnten das Modell nicht vollständig belegen.
Unbestritten ist aber, dass physiologische Erregung einen Einfluss auf die Intensität erlebter emotionaler Reaktionen hat. (DORSCH Lexikon der Psychologie)
Körper und Emotionen sind eng verbunden
Unsere emotionalen Reaktionen sind immer auch mit einer körperlichen verbunden, egal ob wir weinen, uns zusammenkauern oder vor Freude tanzen. Unser Gedächtnis lernt diese Verknüpfungen. So kennt unser Körper auch die „Kopf-nach-unten-Haltung“ im Zusammenhang mit einer negativen Stimmung. Entsprechend besteht das Risiko, dass wir uns niedergeschlagen fühlen, wenn wir lange mit hängendem Kopf auf das Smartphone schauen.
Quarks & Co zeigt in einem kurzen Video anschaulich den Zusammenhang zwischen Körperhaltung und Emotionen:
Was können wir gegen Schmerzen und Traurigkeit durch Starren auf das Smartphone tun?
Könnten Selfies eine Gegenmaßnahme zum Smartphone-Nacken sein? Der Nacken wird gestreckt, während wir in die Kamera lächeln. Selfies helfen also gegen beide Probleme, denn durch das Lächeln hebt sich auch wieder unsere Stimmung. Doch ist das wirklich eine Lösung oder führt das vielleicht nur zu einem anderen Problem, der Selfitis?
Empfehlung von Dr. Joachim Mallwitz:
Beim Blick auf das Handy sollte darüber hinaus häufiger die Position gewechselt, zwischendrin immer mal wieder in die Ferne geschaut (chin-in) und durchgehend an die Aufrichtung gedacht werden. Wer ein Tablet benutzt, hat ferner die Möglichkeit, dieses wie ein Laptop aufzustellen.
Wie wäre es mal hiermit?
Mit erhobenem Kopf durch die Stadt laufen und Menschen einfach mal anlächeln.
Probiere es mal aus, das könnte interessant werden, sofern Dir Menschen begegnen, deren Blicke nicht vom Smartphone gefangen sind.
Welche anderen Ideen habt Ihr, um dem Smartphone-Nacken und der miesen Stimmung durch einen hängenden Kopf entgegenzuwirken?