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Ein Ritter steht auf einem Handy-Display, aus dem zahlreiche Notifications fliegen

Grafik: Collage aus alexsl/Getty Images & GDJ/Pixabay

The Quest: Medien selbstbestimmt nutzen

07 März 2024

Lesezeit 7 Minuten

„The Quest“ ist ein Programm zum selbstkontrollierten PC-/Internetkonsum und richtet sich an alle, die sich mit ihrem Mediennutzungsverhalten auseinandersetzen wollen. Wir haben Kim Werling interviewt, die innerhalb der Suchthilfe des Caritasverband Darmstadt e.V. eine der Ansprechpartner*innen für das Programm ist.

Von Level zu Level mit Hilfe zur Selbsthilfe

Saskia Rößner: Welche Ziele verfolgt The Quest?

Kim Werling: The Quest ist für alle diejenigen, die sich mit ihrem Nutzungsverhalten von Medien, wie zum Beispiel PC, Handy, Tablet, Spielekonsole oder TV auseinandersetzen möchten. Das Programm ist für Menschen ab einem Alter von 16 Jahren geöffnet. Es geht darum, den eigenen Konsum zu reflektieren und mehr Selbstbestimmung zurückzugewinnen. Gemeinsam gucken wir uns an, womit wir uns da eigentlich den lieben langen Tag beschäftigen, wie viel Zeit wir für Mediennutzung wirklich aufbringen und welche Alternativen es gibt. Wir gehen dann in den offenen Austausch und bieten Raum zur gegenseitigen Unterstützung. The Quest ist – wie der Name schon sagt – eine Herausforderung, die wir gemeinsam meistern wollen; von Aufgabe zu Aufgabe, von Level zu Level.

Saskia Rößner: Damit hat The Quest auch ein bisschen Selbsthilfecharakter; quasi Hilfe zur Selbsthilfe.

Kim Werling: Ja, auf jeden Fall.

Saskia Rößner: Braucht man für die Teilnahme eine Diagnose oder ärztliche Empfehlung?

Kim Werling: Nein, wir sind ganz weit weg davon, jemandem einen Suchtstempel aufdrücken zu wollen, wenn er zu uns kommt und sagt „vielleicht ist meine Medienzeit zu hoch“. Um bei uns in Beratung zu kommen oder an dem Programm teilzunehmen, braucht man weder eine Diagnose noch Suchtsymptome oder ähnliches. Eine gewisse Offenheit für das Gruppen-Setting und die Lust auf Neues sind uns da wichtiger. Unser Hauptanliegen ist, ganz unvoreingenommen ins Gespräch zu kommen. Jeder soll für sein Thema einen Raum finden. Wir sind zwar eine Suchtberatungsstelle und unsere Angebote erstrecken sich von Beratung und ambulanter Behandlung von Menschen mit einer Suchtmittelabhängigkeit und/oder einer Verhaltenssucht bis hin zur Vermittlung in teilstationäre oder stationäre Therapieeinrichtungen. Das The Quest-Programm soll jedoch eher präventiv sein.

Zwei Hände halten einen X-Box-Controller, darüber hinweg fliegt eine Karate-Kämpferin mit schwarzem Gürtel

Grafik: Collage aus Proxima Studio/Canva & BlueRingMedia/GraphicsRF

The Quest: Online und Real Life auf Augenhöhe

Saskia Rößner: Wie wirkt The Quest sich denn präventiv aus?

Kim Werling: Wir wollen vor allem junge Menschen dazu anzuregen, das eigene Verhalten zu reflektieren und in den Austausch zu kommen. Was mache ich da eigentlich? Gibt es vielleicht auch Gefahren? Was steckt hinter meinem Nutzungsverhalten: Welche Gedanken, welche Gefühle? Versuche ich vielleicht, etwas kompensieren? Wie läuft es bei mir gerade im Privatleben? Treffe ich mich noch mit Freund*innen? Gibt’s in meinem Umfeld überhaupt Freund*innen? Findet dieses Zusammenkommen nur (noch) im virtuellen Raum statt? Schaffe ich es noch, mit Arbeit, Schule oder Studium nachzukommen? Gerate ich immer wieder mit meinen Eltern aneinander, weil sich alles nur noch um Medien dreht? Wenn ich meine Mediennutzung reduzieren möchte, wie gut gelingt mir das? Es sind ganz viele Faktoren, die wir ansprechen, bei denen wir zum Nachdenken anregen und Gespräche auf Augenhöhe anbieten möchten.

Saskia Rößner: Wer steckt eigentlich hinter The Quest?

Kim Werling: The Quest ist angelehnt an ein verhaltenstherapeutisches Programm, entwickelt von Andreas Gohlke aus Darmstadt. Mein Kollege Sebastian Haberkorn und ich führen das Programm im Auftrag der Caritas durch.

Neben dem Programm „The Quest“ stellt die Suchthilfe des Caritasverband Darmstadt e.V. sowohl in der Stadt Darmstadt als auch im Landkreis Darmstadt-Dieburg noch viele weitere Beratungsangebote zur Verfügung:

  • Beratung bei Problemen mit Alkohol, Medikamenten, Drogen, Medien, Gaming oder Glücksspiel;
  • Beratung und Informationen zum Thema riskantem Suchtmittelkonsum sowohl für junge Menschen bis 21 Jahre, als auch für ihre Eltern, Bezugspersonen oder Betreuende im Rahmen des HaLT-Projekts,
  • Präventionsworkshops an Schulen und Präventions- bzw. Öffentlichkeitsarbeit auf Stadtfesten;
  • Lotsennetzwerk: Beratung für Menschen, die Schwierigkeiten im Umgang mit Alkohol, Drogen oder Medikamenten haben, sich aber unsicher sind, wie es für sie weitergehen kann
  • Beratung und Training für Angehörige suchtkranker Menschen
  • SKOLL (Selbstkontrolltraining) – für den verantwortungsbewussten Umgang mit Suchtstoffen und anderen Suchtphänomenen
  • Suchtbehandlung: Durchführung ambulanter Rehabilitation und Suchtnachsorge;
  • Offene Sprechstunden;
  • Betreutes Einzelwohnen für Suchtkranke Menschen.
Finegr tippen auf der Tastatur eines Notebooks, worauf ein Waschbär im Superheldenkostüm tanzt

Grafik: Collage aus Leung Cho Pan/Canva & Buch&Bee/Canva

The Quest: Wo und wann?

Saskia Rößner: Wo findet das Programm statt; online oder vor Ort?

Kim Werling: The Quest findet in Dieburg in unserer Fachambulanz statt (Weißturmstr. 29, 64807 Dieburg). Bisher hatten wir tatsächlich auch nur Teilnehmende aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg oder der Stadt Darmstadt.

Saskia Rößner: Wie oft findet The Quest statt?

Kim Werling: Bisher planen wir, das Programm jedes Jahr einmal im Frühjahr und einmal im Herbst anzubieten. Das Programm geht über zehn Wochen und jeder Durchlauf bietet Platz für maximal zehn Teilnehmende. Der nächste Kurs startet am 11. September und geht bis zum 13. November 2024. Er findet immer mittwochs von 16 bis 18 Uhr statt.

Saskia Rößner: Was muss ich tun, wenn ich teilnehmen will?

Kim Werling: Wir sind gerade dabei, neue Flyer und Anmeldebögen zu entwickeln. Beides wird bald auf unserer Website zu finden sein. Natürlich kann man meinen Kollegen Sebastian Haberkorn und mich aber auch per E-Mail oder Telefon kontaktieren oder bei uns in der Beratungsstelle vorbeikommen.

Egal auf welchem Weg Interessierte zu uns kommen, zunächst gibt es zwei bis drei Vorgespräche, um herauszufinden, ob The Quest für die Person auch wirklich das Richtige ist. Erst danach startet die Gruppenphase. Wichtig ist, dass es keine Verpflichtung gibt, das Programm bis zum Ende durchzuziehen. Wenn jemand mittendrin merkt, dass er sich damit absolut unwohl fühlt, ist es völlig in Ordnung, auszusteigen. Anders herum geht es allerdings nicht: Man kann nicht einfach mitten im Programm neu dazu kommen, da die einzelnen Quests aufeinander aufbauen – von Level zu Level eben. Nach der Gruppenphase gibt es für jede*n Teilnehmer*in nochmal ein Abschlussgespräch.

Kein Pay-to-win: The Quest ist für dich kostenlos

Saskia Rößner: Ist die Teilnahme am Programm kostenlos?

Kim Werling: Ja, die Teilnahme ist kostenlos

Saskia Rößner: Gibt es eine Erfahrung, die du mit dem Programm oder den Teilnehmenden gemacht hast, die bei dir besonders hängengeblieben sind, dich besonders überrascht hat?

Kim Werling: Ja, dass es keine Vorurteile gibt in der Gruppe; dass man sich verstanden fühlt; dass dieser offene Austausch noch nie so stattgefunden hat wie in dieser Gruppe. Mein Kollege und ich möchten uns nicht starr an einem Konzept orientieren, sondern vor allem interaktiv arbeiten. Wir möchten erfahren, was die Teilnehmenden mit den Medien machen, was sie bewegt. Es ist total schön, zu sehen, wie die Personen dann aufgehen und voll in ihrem Element sind.

Saskia Rößner: Vielen Dank für das Interview!

Ein Laptop-Bildschirm zeigt eine sprechende Frau. Vor dem Laptop stehen drei Menschen und hören zu. Webinar am 7.6.: Warum Mediensuchtberatung Leichte Sprache braucht Mann packt sich an den surrenden Kopf, Handy mit Porno-App, Hand mit Banane Pornografie-Nutzungsstörung: „Es hat lange gedauert, bis ich begriff, dass ich suchtkrank bin“
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