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Rotes Kästchen mit Herz

Foto: Karsten Winegeart / Unsplash.com

Likes: Hundeschule für Social Media-Nutzer*innen

03 November 2022

Lesezeit 5 Minuten

Wie bringt man einem Hund bei, ein Trick zu machen? Egal ob „Sitz!“, „Platz!“ oder „Gib Pfote!“: Das Geheimnis lautet üben, üben, üben. Und ein paar Leckerli können auch nicht schaden. Wir Menschen sehen uns meist als besonders intelligente und komplexe Spezies. Wenn es ums Lernen geht, sind wir aber ähnlich simpel gestrickt wie Hunde. „Es gilt festzuhalten, dass unsere Spezies nach relativ einfachen Regeln lernt. […] Positives Feedback ist wichtig für die Lernmotivation“, schreibt Christian Montag (2021: 95). Was das mit Social Media zu tun hat, erfährst Du in diesem Blogbeitrag.

Lernen wie in der Hundeschule

Wie lernen Lebewesen? Dazu gibt es in der Psychologie verschiedene Modelle. Zwei der bekanntesten sind wohl die klassische und die operante Konditionierung.

Bei der klassischen Konditionierung wird im Gehirn eine Sache mit einer anderen Sache verknüpft. Zum Beispiel die Folge des Alphabets mit einer einprägsamen Melodie. Oder ein bestimmtes Handzeichen mit dem Kommando „Platz!“ für den Hund. Mithilfe der Melodie können wir uns als Kinder leichter an die Reihenfolge der Buchstaben erinnern. Und der Hund weiß irgendwann auch ohne das verbale Kommando „Platz!“, was wir von ihm wollen, wenn wir nur das Handzeichen machen.

Verstärkungslernen mit Belohnung und Bestrafung

Bei der operanten Konditionierung wird mit Belohnung und Bestrafung gearbeitet. Erwünschtes Verhalten wird belohnt, unerwünschtes Verhalten wird bestraft. Macht der Hund tatsächlich Platz, bekommt er zur Belohnung ein Leckerli. Gehorcht er nicht, wird unser Ton beim nächsten Kommando strenger (Bestrafung). Haben wir uns in der Schule gut benommen und fleißig gelernt, werden wir mit guten Noten belohnt. Wer seine Hausaufgaben nicht gemacht und oft im Unterricht gestört hat, wird hingegen mit Nachsitzen bestraft.

Graffito an einer Wellblechwand: All we need is Likes.

Foto: Daria Nepriakhina / Unsplash.com

Die operante Konditionierung nennt man auch „Verstärkungslernen“. Warum, erklärt Christian Montag: „Führt eine Handlung zu positiven Emotionen, werde ich diese Handlung aufrechterhalten. Die Handlung wird also durch die positive Emotion verstärkt. Führt eine Handlung zu negativen Emotionen, werde ich diese Handlung im besten Fall nicht erneut zeigen. Diese Handlung wird durch die negativen Emotionen nicht verstärkt“ (Montag 2021: 97f.).

Likes: Hundekekse für uns Menschen

Was Leckerli für den Hund sind, sind beispielsweise Likes für uns Menschen. Von unserem Gehirn werden „Daumen hoch“ oder Herzen unter unseren Social Media-Beiträgen als Belohnung wahrgenommen. Und diese Belohnung kann unsere Social Media-Nutzung verstärken: „Das immer wiederkehrende positive Feedback auf Facebook bestärkt mich darin, häufig auf die Facebook-Plattform zurückzukehren“, erklärt Christian Montag (2021: 98). Dieses Prinzip gilt aber natürlich nicht nur für Facebook. Zwar hat es Likes vor ein paar Jahren erfunden, inzwischen sind sie aber auf fast jeder Plattform zu finden: Instagram, TikTok, Twitter, YouTube…

„Übrigens fühlt es sich nicht nur gut an, Likes zu bekommen, sondern auch sie anderen zu geben! Eine neue Studie […] konnte kürzlich den Nachweis erbringen, dass das Geben von Likes ebenfalls das Belohnungssystem anregt. […] Beides resultiert in positiven Emotionen und wird damit meine Zeit auf Social Media verlängern“ (Montag 2021: 100).

Selbsthilfe-Tipp gegen Likes als Köder: Demetricator

Likes verteilen, Likes bekommen, Likes vergleichen. Für manche von uns kann das alles ganz schön stressig werden. Es ärgert Dich, wenn die anderen mehr positives Feedback bekommen als Du? Du hast das Gefühl, immer öfter und immer bessere Beiträge posten zu müssen, um auch so viele Likes zu bekommen? Dieser Wettbewerb, wer die meisten Follower hat, wer die besten Beiträge postet, nervt Dich? Gute Gründe, um sich einmal eine Auszeit von diesem Zahlen-Wettstreit zu gönnen. Der Online-Aktivist Ben Grosser hat dafür das kostenlose Add-on „Demetricator“ entwickelt. Dieser versteckt die Zahlen in den sozialen Medien Facebook, Instagram und Twitter. Mehr dazu kannst Du in diesem Blogbeitrag nachlesen.

Facebook-Daumen

Grafik: Barefoot Communications / Unsplash.com

Digitaler Frühjahrsputz: Alte Likes adé

Es ist zwar gerade kein Frühling, aber mal ehrlich: Wir finden, aufzuräumen und Altlasten loszuwerden, tut oft richtig gut, egal zu welcher Jahreszeit. Und so funktioniert der digitale Frühjahrsputz in sozialen Medien: Likes zurücknehmen, Profilen entfolgen, alte Posts, Fotos, Stories, Lesezeichen und Nachrichten löschen. Die zwei großen Vorteile für Dich:

  • Besserer Überblick über Deine Freund*innen: Menschen, zu denen Du gar keinen Kontakt mehr haben willst oder an die Du dich gar nicht mehr erinnern kannst, bekommen Deine Posts nicht mehr in ihrem Newsfeed angezeigt. Halbfremde Leute lesen also nicht mehr so einfach bei Dir mit.
  • Übersichtlicherer Newsfeed: Du kannst Leuten oder Unternehmen aussortieren, die Dir gar nicht mehr gefallen oder Dir nicht guttun, weil Du Dich über Ihre Posts oder die Anzahl ihrer Likes häufig ärgerst.
  • Du zeigst Deinem Gehirn, dass Likes vergänglich und gar nicht so wichtig sind.

Mehr zum digitalen Frühjahrsputz auf Twitter, Instagram und Facebook kannst du hier nachlesen.

Themenreihe Addictive Design

Dieser Blogbeitrag ist Teil der Themenreihe zu Addictive Design. Weitere Blogbeiträge aus dieser Reihe:

Quelle

Montag (2021): Du gehörst uns! Die psychologischen Strategien von Facebook, TikTok, Snapchat & Co – und wie wir uns vor der großen Manipulation schützen.

Laptop-Bildschirm zeigt einen Laptop, der einen laptop zeigt, der einen Laptop zeigt und so weiter. Infinite Scrolling: Seiten ohne Ende, Surfen ohne Ende? Snapchat-Logo (Gespenst) FOMO: Über Snaps, Stories und unsere Angst, etwas zu verpassen
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