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Kunterbunte Social Media-Logos

Grafik: geralt / pixabay.com

Von Farbenpsychologie und Signalfarbe: Die kunterbunte Welt sozialer Medien

13 Oktober 2022

Lesezeit 6 Minuten

Rot wie die Liebe oder Grün wie die Hoffnung: Hast Du von diesen Verknüpfungen schon einmal gehört? Warum ordnen wir Dinge oft einer bestimmten Farbe zu? Warum gilt Rot als Signalfarbe? Damit beschäftigt sich die Farbpsychologie. Aber nicht nur dort wird die Wirkung von Farben auf Körper und Geist erforscht. Längst hat sich die Werbung den psychologischen Einfluss von Farben zu Nutze gemacht. Und auch in der Entwicklung digitaler Medien ist dieses Wissen angekommen.

Signalfarbe Rot

Blau steht beispielsweise für Treue, Freundschaft oder Ruhe. Bei Grün denken wir an Hoffnung, Eifersucht oder Glück. Rot hingegen symbolisiert Energie, Liebe oder Gefahr. Dass wir mit der Farbe Rot Gefahr verbinden, kann beispielsweise auf die Farben von Feuer, Blut oder auch vielen giftigen Pflanzen und Tieren zurückgeführt werden. Mindestens eine dieser Pflanzen kennst Du vermutlich auch: Den Fliegenpilz. Schon als kleines Kind lernen wir, dass wir diesen Pilz nicht essen dürfen.

Fliegenpilz

Foto: cafepampas / pixybay.com

Ein weiteres Beispiel sind Verkehrsschilder: Schilder, die vor etwas warnen oder etwas verbieten, sind in der Regel (teilweise) rot. „Rot gilt seit jeher als Signalfarbe“, erklärt Psychologe Christian Montag. „Wenig überraschend ist es, dass auch Menschen stark auf rote Farbe reagieren.“ (S. 127). Die Wirkung einer Farbe sei jedoch immer auch kontextabhängig. So verleite roter Lippenstift vielleicht zum Flirten. Gegenüber roten Autos würden wir uns hingegen eher aggressiver verhalten als gegenüber Fahrzeugen in dezenten Farben (S. 127 f.). So oder so: Was rot ist, erregt leicht unsere Aufmerksamkeit.

Indikatoren: Nervige rote Punkte und Zahlen

Das haben sich auch die Entwickler*innen sozialer Netzwerke und Apps zu Nutze gemacht. Denn Deine Aufmerksamkeit ist genau das, was sie haben wollen. Je öfter Du ihre Angebote nutzt und je mehr Zeit Du mit ihnen verbringst, desto mehr Daten können sie über Dich sammeln. Was gefällt Dir, was nicht? Wofür interessierst Du Dich, wofür nicht? Wonach suchst oder recherchierst Du aktuell? Wen kennst Du, wen magst Du? Mit wem unternimmst Du häufig etwas? Und so weiter und so fort. Je mehr Daten die Betreiber*innen von uns haben, desto gezielter können sie Werbeanzeigen platzieren. Und mit solchen Anzeigen verdienen sie ihr Geld. Denn nur weil die meisten Netzwerke und Apps kein Geld kosten, heißt das nicht, dass wir sie gänzlich ohne Gegenleistung nutzen dürften. Wir bezahlen mit unseren Daten. Und mit unserer Zeit und Aufmerksamkeit.

Nicht nur, dass soziale Medien im Gegensatz zur schwarz-weißen Tageszeitung einem kunterbunten Wunderland gleichen. Je greller die Farben, desto eher fallen uns Fotos, Logos oder Benachrichtigungen ins Auge. Die Signalfarbe Rot wird daher bei vielen Medien und Apps als kleines Alarm-Symbol benutzt, um anzuzeigen, dass es Neuigkeiten gibt.

Smartphone-Disply mit vielen roten Punkten an den Apps

Foto: Sara Kurfess / Unsplash.com

Rote Punkte und/oder Zahlen deaktivieren

Ein neuer Post, eine neue Nachricht, ein neuer Like, eine neue Freundschaftsanfrage, ein neues… Manchmal handelt es sich tatsächlich um wichtige oder hilfreiche Neuigkeiten. Manchmal denkst Du Dir aber vielleicht, dass das Programm sich die Benachrichtigung in diesem Fall auch hätte sparen können. In der Summe kann schnell eine Vielzahl an Neuigkeiten zusammenkommen. Daher ist zu dem kleinen roten Punkt irgendwann noch eine Zahl hinzugekommen. Sie gibt an, wie viele Neuigkeiten es gibt. Je höher die Zahl ansteigt, desto stärker der Druck, die Neuigkeiten endlich zu prüfen. Ganz schön stressig!

In deinen Smartphone-Einstellungen kannst Du je nach Betriebssystem diese Zahlen oder auch die roten Punkte, genannt Indikatoren, deaktivieren.

  • Android 12 > Einstellungen > Benachrichtigungen > Erweiterte Einstellungen > App-Symbolindikator deaktivieren / bearbeiten
  • iPhone 10 > Einstellungen > Mitteilungen > Mitteilungsstil > Kennzeichen deaktivieren / bearbeiten (für jede App einzeln)

Signalfarbe adé: Bildschirm im Graustufen-Modus

Um dem Bann des kunterbunten Wunderlandes noch besser zu entkommen, kannst Du deinen Bildschirm auch komplett farblos einstellen. Dann wird dein Smartphone optisch wirklich zu einer schwarz-weißen Tageszeitung. Erste wissenschaftliche Studien zeigen, dass dieser Trick Deine Bildschirmzeit tatsächlich senken kann (Montag, S. 129 f.).

Den Graustufen-Modus findest Du bei deinem Handy in den Einstellungen. Je nach Betriebssystem beispielsweise unter Bildschirmzeit, Digitales Wohlbefinden, Eingabehilfe oder Anzeige.

  • Android 12 > Einstellungen > Eingabehilfe > Verbesserung der Sichtbarkeit > Farbanpassung aktivieren > Graustufen
  • iPhone 10 > Einstellungen > Bedienungshilfen > Anzeige & Textgröße > Farbfilter aktivieren > Graustufen

Probiere es doch einfach mal aus und vergleiche selbst, was Dir besser gefällt. Wobei „besser“ hier nicht unbedingt auch gleich „besser“ bedeutet. Denn wenn Du deine Bildschirmzeit reduzieren oder Deine Aufmerksamkeit fokussieren willst, ist es sinnvoller, die Variante zu wählen, die dir optisch schlechter gefällt.

Für einen ersten Eindruck siehst Du hier das webcare+ Instagram-Profil, einmal in den gewohnten bunten Farben und einmal in Graustufen. Ehrliche Frage: Was verleitet Dich mehr zum Stöbern?

Screenshot vom webcareü Instagram-Profil, links in bunt, rechts in Grautönen

Themenreihe Addictive Design

Dieser Blogbeitrag ist Teil der Themenreihe zu Addictive Design. Weitere Blogbeiträge aus dieser Reihe:

Quelle

Christian Montag (2021): Du gehörst uns! Die psychologischen Strategien von Facebook, TikTok, Snapchat & Co – und wie wir uns vor der großen Manipulation schützen.

Mann von oben bis unten mit gelben Klebenotizen beklebt Nudging: Sanftes Schubsen oder digitale Nötigung? Auge, Die Linse ist voll mit Social Media Logos Hooked-Zyklus: Wollen soziale Medien uns süchtig machen?
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