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Snapchat-Logo (Gespenst)

Grafik: Alexander Shatov / Unsplash.com

FOMO: Über Snaps, Stories und unsere Angst, etwas zu verpassen

27 Oktober 2022

Lesezeit 5 Minuten

Wer bei Snapchat eine Nachricht verschickt, kann auswählen, wie lange sie für die Empfänger*innen verfügbar ist. Nach dem Öffnen löscht sich die Nachricht von selbst nach einer Sekunde, 10 Sekunden oder dem Schließen der Nachricht – je nachdem was man als Absender*in vorher festgelegt hat. Spätestens aber nach 24 Stunden verfällt die Nachricht und kann nicht mehr gelesen werden. Fotos („Snaps“) verschwinden bereits nach 1-2 Mal angucken, spätestens aber beim Schließen der App. Ein paar Ausnahmen, Tipps und Tricks zum Speichern von Nachrichten gibt es zwar, aber das Grundprinzip der App ist klar: Zeitliche Verknappung.

Dass Inhalte nur vorübergehend abrufbar sind, kann dazu führen, dass wir ein Medium besonders häufig öffnen und auf neue Nachrichten prüfen. Denn wir möchten natürlich nichts Wichtiges verpassen. Der Konzern Meta (damals noch Facebook) hat das früh erkannt. Zunächst wollte er Snapchat aufkaufen, welches aber vehement ablehnte. Meta hat das Prinzip dann einfach kopiert und inzwischen auf all seinen Plattformen eingebaut: Als WhatsApp-Status, Facebook-Story und Instagram-Story.

FOMO und Social Media: Ein Teufelskreis?

Die Techniker Krankenkasse (TK) sieht hier das Risiko einer Teufelsspirale: „Die Angst, etwas zu verpassen [Fear of Missing Out, kurz: FOMO], führt zu intensiverer Nutzung von Sozialen Medien. Das FOMO-Opfer klickt sich durch seine Accounts, um anderen Menschen näher sein – und fühlt sich am Ende nur noch schlechter.“ Die angesagteste Party, der schönste Urlaub, das teuerste Auto: Denn in der Regel posten wir alle nur das Beste von uns. Was Du in den sozialen Medien siehst, ist also meist nur eine beschönigte digitale Scheinwelt. Wer sich damit vergleichen möchte, kann eigentlich nur verlieren.

Fröhliches und trauriges Smiley auf Smartphone-Bildschirmen

Grafik: Alexas_Fotos/ Pixabay.com

„Doch nicht nur der ständige Vergleich mit anderen führt zu FOMO. Dazu kommt noch ein anderer Faktor“, warnt die TK weiter. „Egal, ob im Job, im Studium, in der Freizeit und bei der Partner*innenwahl, in unserer heutigen Gesellschaft bieten sich immer mehr Möglichkeiten. Was es schwieriger macht, sich einfach mal für etwas zu entscheiden und dabei zu bleiben. Irgendwo schlummert immer die Ungewissheit: Kommt vielleicht beim nächsten Klick noch eine bessere Option um die Ecke? Dies führt zu einer inneren Unruhe, kann sogar Schlafstörungen auslösen.“

Was sagt die Wissenschaft zur Fear of Missing Out?

Zu FOMO wird inzwischen auch in der Wissenschaft geforscht. Hier ein paar kurze Ergebnisse aus psychologischen Forschungen:

  • Menschen mit großer FOMO fühlen sich generell unwohler und unzufriedener (Przybylski et al. 2013)
  • Je stärker die FOMO, desto intensiver die Handynutzung (Knop & Hefner 2018)
  • Menschen mit großer FOMO nutzen Social Media intensiver (Przybylski et al. 2013)
  • Je stärker die FOMO, desto unüberlegter die Social Media Nutzung (Knop & Hefner 2018)
  • Je grösser sozialen Ängste und FOMO, desto höher das Risiko einer Social Media Abhängigkeit (Ryan et al. 2014)
  • Menschen mit großer FOMO lassen sich beim Lernen oder Autofahren leichter ablenken (Przybylski et al. 2013)
  • Je größer die FOMO, desto geringer die Produktivität am Arbeitsplatz (Rozgonjuk et al. 2020)

Bist Du von FOMO betroffen?

Der britische Psychologe Andrew Przybylski (et al. 2013) hat einen Fragebogen entwickelt, der Symptome einer Fear of Missing Out abfragt. Dieser Fragebogen besteht aus zehn Fragen, die wir für Dich aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt haben. Je mehr Fragen Du mit Ja beantwortest, desto stärker ist bei Dir die FOMO ausgeprägt.

FOMO-Skala nach Przybylski & Co

  1. Hast Du Angst, dass andere tollere Sachen erleben als Du?
  2. Hast Du Angst, dass Deine Freund*innen tollere Sachen erleben als Du?
  3. Machst Du Dir Sorgen, wenn Deine Freund*innen ohne Dich Spaß haben?
  4. Machst Du Dir Sorgen, wenn Du nicht weißt, was Deine Freund*innen gerade tun?
  5. Ist es Dir wichtig, Insider-Witze Deiner Freund*innen zu verstehen?
  6. Fragst Du Dich manchmal, ob Du zu viel Zeit damit verbringst, immer auf dem Laufenden zu sein?
  7. Findest Du es schlimm, eine Gelegenheit zu verpassen, Deine Freund*innen zu treffen?
  8. Ist es Dir wichtig, Deine schönen Erfahrungen auch online zu teilen?
  9. Stört es Dich, wenn Du ein geplantes Treffen verpasst?
  10. Hältst Du Dich auch dann auf dem Laufenden, wenn Du in den Urlaub fährst?
Verschwommenes Gesicht

Foto: Mishal Ibrahim / Unsplash.com

Hier bekommst Du Hilfe bei FOMO

Wenn Du viele der Fragen mit Ja beantwortet hast, kann es sinnvoll sein, Dir Unterstützung zu suchen. In Deutschland gibt es viele Hilfeangebote: Regionale Sucht-Beratungsstellen oder Jugendhilfe-Einrichtungen, Online-Beratungsangebote wie beispielsweise Juuuport oder die Beratungs-Hotline von Nummer gegen Kummer.

Themenreihe Addictive Design

Dieser Blogbeitrag ist Teil der Themenreihe zu Addictive Design. Weitere Blogbeiträge aus dieser Reihe:

Quellen

  • K. Przybylski, K. Murayama, C.R. DeHaan, & V. Gladwell (2013). Motivational, emotional, and behavioral correlates of fear of missing out. Computers in Human Behavior, 29, 1814-1848, DOI: 10.1016/j.chb.2013.02.014.
  • Ryan, A. Chester, J. Reece & S. Xenos (2014): The uses and abuses of Facebook: A review of Facebook addiction, in: Journal of Behavioral Addictions, 3(3), S. 133–148, DOI: 10.1556/JBA.3.2014.016.
  • Knop & D. Hefner (2018): Feind oder Freund in meiner Hosentasche? – Zur Rolle von Individuum, Peergroup und Eltern für die (dys)funktionale Handynutzung, in: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 67 (2), S. 204-216, DOI: 10.13109/prkk.2018.67.2.204.
  • Rozgonjuk, C. Sindermann, J.D. Elhai, C. Montag (2020): Fear of Missing Out (FoMO) and social media’s impact on daily-life and productivity at work: Do WhatsApp, Facebook, Instagram, and Snapchat Use Disorders mediate that association?, in: Addictive Behaviors, 110, DOI: 10.1016/j.addbeh.2020.106487.
  • Techniker Krankenkasse (2021): „FOMO“ – Die Angst, etwas zu verpassen.
Rotes Kästchen mit Herz Likes: Hundeschule für Social Media-Nutzer*innen Mann von oben bis unten mit gelben Klebenotizen beklebt Nudging: Sanftes Schubsen oder digitale Nötigung?
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