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Playstation Controller und Herzkurve

Foto: Igor KarimovUnsplash (Hintergrund), InspiredImages/Pixabay (Herzkurve)

Games for Health: Serious Games für die Gesundheit

04 Juni 2020

Lesezeit 7 Minuten

Serious Games“ heißt übersetzt „ernste Spiele“. Ernste Spiele – ist das nicht ein Widerspruch? Nicht unbedingt, erklärt Josef Wiehmeyer in seinem Buch „Serious Games für die Gesundheit. Anwendung in der Prävention und Rehabilitation im Überblick“. Wir haben uns das einmal genauer angeschaut. Wäre doch super, wenn man eine Mediensucht mit Spielen behandeln könnte, oder?

Was sind Serious Games?

„Die Idee besteht darin, eine Tätigkeit, die vielen Menschen sehr viel Spaß macht, nämlich Spielen, mit präventiven Maßnahmen zu verknüpfen, um insgesamt die Motivation, das Engagement und damit letztlich den Gesundheitsstatus zu verbessern“, erklärt Wiehmeyer (S. 2). Unterscheiden könne man zwischen Serious Games und Gamification:

  • Serious Games: Vollwertige Spiele, zum Beispiel zur Verbesserung von Ernährung, Sexualverhalten, Alkohol- und Drogenkonsum und Bewegungsverhalten
  • Gamification: Einzelne Spielelemente, wie zum Beispiel Belohnung oder Herausforderung, um die Motivation zu steigern (siehe auch unseren Blogbeitrag dazu)

Eine einheitliche Definition von Serious Games gebe es nicht.

In Wiehmeyers Buch werden unter Serious Games „digitale Anwendungen verstanden, die Spieltechnologien beziehungsweise Spielmerkmale gezielt nutzen, um neben einem Spielerlebnis […] mindestens ein weiteres ernsthaftes Ziel, zum Beispiel Gesundheit, Lernen oder Training, zu erreichen“ (S. 17).

Aus dieser Beschreibung ergeben sich zwei Ziele von Serious Games:

  1. Ein gutes Spielerlebnis genießen
  2. Einem ernsthaften Ziel näher kommen

Die beiden Ziele sollen sich dabei die Waage halten. Das heißt, zwischen Spielerlebnis und Ziel muss eine Balance entstehen, in der keine der beiden Seiten vernachlässigt wird. Ist das Spiel zu ernst, macht es keinen Spaß. Macht es keinen Spaß, ist unsere Motivation gering, es zu spielen. Spielen wir es nicht, kommen wir unserem Ziel nicht näher.

Wo können Serious Games eingesetzt werden?

Wiehmeyer teilt Serious Games in sechs Kompetenzbereiche ein:

  1. Sensorische Kompetenzen: Zum Beispiel Auge-Hand-Koordination, Reaktionsfähigkeit
  2. Kognitive Kompetenzen: Zum Beispiel Aufmerksamkeit, Wissen, Problemlösen
  3. Emotionale Kompetenzen: Zum Beispiel Umgang mit Stress oder Misserfolgen
  4. Soziale Kompetenzen: Zum Beispiel Zusammenarbeit, Kommunikationsfähigkeit
  5. Persönlichkeitsbezogene Kompetenzen: Zum Beispiel Selbstkonzept, Identität
  6. Medienkompetenzen: Zum Beispiel Medienwissen, Medienumgang

Je nach Bereich, werden unterschiedliche Fähigkeiten durch die Spiele trainiert. Manche Genres haben sogar inzwischen eigene Kürzel entwickelt. So nennt man Serious Games im Bildungsbereich beispielsweise EduGames. Spiele, die unsere Gesundheit fördern sollen, bezeichnet man als Games for Health. Für Bewegungsspiele gibt es die Begriff ExerGames.

Vielleicht hast Du sogar eines davon zuhause und wusstest es bisher gar nicht. Denn „mittlerweile existiert eine Fülle von digitalen Spielen, deren Spielmechanik Aktionen großer Muskelgruppen oder des gesamten Körpers erfordern. Die Bewegungen der Spielenden werden entweder mithilfe spezieller 3D-Kameras aufgezeichnet (zum Beispiel Microsoft Kinect oder Sony Eyetoy) oder mithilfe spezieller Bewegungssensoren gemessen (zum Beispiel Nintendo Wii oder Sony Move)“, erklärt Wiehmeyer (S. 27). Also, wie sieht es aus? Hast Du schon mal ein ExerGame gespielt? Oder hast Du sogar welche zuhause?

Tennisschläger, tennisbälle und Turnschuhe

Foto: marijana1/Pixabay

Wirken Serious Games für die Gesundheit überhaupt?

Wiehmeyer unterscheidet beim Einsatz von Games for Health zwischen Prävention und Rehabilitation (S.7 und 23):

  • Prävention: Das Auftreten einer Krankheit verhindern, indem zum Beispiel Risikofaktoren reduziert und Schutzfaktoren gestärkt werden und/oder die erfolgreiche Bewältigung von Belastungssituationen trainiert wird
  • Rehabilitation / Therapie: Die Behandlung von bereits aufgetretenen Krankheiten

Zur Wirksamkeit von Serious Games für die Gesundheit gibt es einige Studien. Natürlich kann man nicht alle Spiele und ihre Wirkungsweise auf alle Krankheiten auf einmal testen. Für jedes Spiel und jede Krankheit muss eine eigene Studie durchgeführt werden. Es gibt gute sowie schlechte Spiele und es gibt Krankheiten, die sich leichter vorbeugen oder behandeln lassen als andere. Eine Tendenz in den Ergebnissen ist dennoch klar erkennbar.

Studien deuten auf positive Effekte

In der Prävention haben die Studien überwiegend positive Effekte bestätigt. Wiehmeyer hat sich hier vor allem ExerGames angesehen. Es wurden also die Bereichen Ernährung, körperliche Aktivität, Energieverbrauch, Reaktionsfähigkeit, räumliche Fähigkeiten wie Gleichgewicht, motorische Fähigkeiten und Aggressionen getestet.

In der Rehabilitation kam es ebenfalls überwiegend zu positiven Effekten. Hier gab es Test in den Bereichen Schlaganfall, Lähmungen, Mobilitäts- und Gleichgewichtsstörungen, Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Rückenmarksverletzungen, erworbene/traumatische Hirnverletzungen, Amputationen, Krebs und Verbrennungen.

Die positiven Effekte waren bei ExerGames beispielsweise die Steigerung des Energieverbauchs (S.29). Bei Krebs konnten durch Games for Health eine höhere Disziplin in der Behandlung, Wissenszuwachs über die Krankheit und eine Stärkung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung erreicht werden. Außerdem halfen die Spiele auch gegen Übelkeit und Angstzustände (S. 34f.).

Fahrrad auf Feldweg

Foto: Didgeman/Pixabay

Mit Serious Games eine Sucht bekämpfen?

Aus dem Bereich Mediensucht oder Sucht generell wurden leider keine Studien vorgestellt.

In den drei Datenbanken, die Wiehmeyer in seinem Buch vorstellt, verlief unsere Suche ebenfalls ernüchternd. Diese Datenbanken enthalten nach Aussage des Autors hunderte Serious Games. Zwei der Datenbanken sind jedoch aktuell nicht (mehr) aufrufbar (www.healthgamesresearch.org und www.healthcaregames.wisc.edu). In der dritten Datenbank (www.serious.gameclassification.com) konnten wir lediglich ein Spiel finden, das sich mit Sucht beschäftigt: Im Spiel „My Quit Kit & Khemia“ geht es darum, mit dem Rauchen aufzuhören.

Denkbar ist aber natürlich auch, dass es Games gegen Sucht gibt, die nicht in den Datenbanken aufgeführt sind. Falls Du so ein Spiel kennen solltest, schreib uns bitte via E-Mail, Facebook, Twitter oder Instagram (@webcareplus)! Wir würden uns sehr über Deinen Hinweis freuen.

Games for Health: Fazit

Die Studienergebnisse klingen erstmal vielversprechend. „Allerdings ist die methodische Qualität der Mehrzahl der Studien sehr gering, sodass in vielen Fällen eher ein Wirksamkeitspotenzial eröffnet als ein belastbarer Wirksamkeitsnachweis erbracht wird“, bemängelt Wiehmeyer (S. 41). Des Weiteren kritisiert er, dass vor allem das Spielerleben, die Nachhaltigkeit der Effekte, soziale Spielkontexte und das Spielen zuhause in Studien bisher vernachlässigt wurden.

Dennoch schließt Wiehmeyer darauf, dass man das Potenzial von Digital Games for Health erkennen kann. Dabei hebt er insbesondere einen Punkt hervor: „Da [die Spiele] vor allem auf niedrigem Niveau positive Effekte hervorrufen, können sie als Türöffner für weitere Interventionen dienen, die über die Spiele hinausgehen“ (S. 32).

So kommt Wiehmeyer dann auch zu einem klaren Fazit:

Serious Games sind kein Allheilmittel für die Gesundheit. […] [Sie] sind eine sinnvolle Ergänzung, aber kein Ersatz bestehender Präventions- und Therapieformen“ (S. 41f.).

Übrigens: Es gibt ein eigenes Magazin für Serious Games für die Gesundheit. Es heißt „Games for Health Journal“ und wird in englischer Sprache publiziert. Falls Du fit in der Sprache bist und mehr zum Thema erfahren willst, schau doch mal rein!

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