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Behind the Screens Logo, im Hintergrund Computerschnittstellen

Foto: John Barkiple / Unsplash.com, Logo: Behind the Screens

Computerspiele und Psychologie – Interview mit Behind the Screens

18 März 2021

Lesezeit 6 Minuten

Die Frage nach digitalen Spielen und Psychologie ist viel mehr als nur die Frage nach Computerspielsucht und Psychotherapie. Das zeigt unter anderem Behind the Screens, das aus einem Blog, einem Podcast und einem Discord Channel besteht. Wir haben die Menschen hinter den Bildschirmen interviewt.

Behind the Screens besteht aus einem Team von drei Psycholog*innen. Was genau macht ihr beruflich?

Benjamin Strobel ist promovierter Psychologe und arbeitet hauptberuflich als Referent für Medien und Games. Freiberuflich schreibt er über gesellschaftliche, psychologische und medienpädagogische Aspekte digitaler Spiele.

Jessica Kathmann ist selbstständig und seit einigen Jahren in Ausbildung zur analytischen Psychotherapeutin. Als freie Autorin schreibt sie meist über tiefenpsychologische Aspekte von Videospielen und bietet darüber hinaus Vorträge und Workshops für Eltern, Lehrkräfte und Psychotherapeut*innen an.

Nicolas Hoberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Münster. Dort forscht und promoviert er zum Wechselspiel von Digitalisierung und Paar- und Familieninteraktionen.

Behind the Screens Team

Bild: Behind the Screens, von links nach rechts: Dr. Benjamin Strobel, Jessica Kathmann und Nicolas Hoberg

Games aus psychologischer Perspektive

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, Videospiele aus psychologischer Perspektive zu betrachten. Welche Themen interessieren euch dabei besonders?

Auf der einen Seite sind digitale Spiele technische Artefakte mit eigenen Regeln, Strukturen, und Funktionen. Game Studies und Literaturwissenschaften fokussieren häufig auf die Untersuchung von Videospielen als kulturelle Gegenstände.

Aber an den Eingabegeräten auf der anderen Seite des Bildschirms sitzen Menschen mit Gefühlen und Gedanken. Warum weinen sie bei einem Spiel oder werfen den Controller an die Wand? Mit einem psychologischen Blick auf Games betrachten wir die Beziehung zwischen Spiel auf der einen Seite und Mensch auf der anderen Seite.

Auch Spiele-Entwickler*innen versuchen vorherzusagen, was den Spieler*innen gefällt oder was sie vermutlich bewegt. Sie beschäftigen sich also mit psychologische Fragen! Games haben grundsätzlich sehr viel mit Psychologie zu tun.

Unsere Interessen in dem Feld sind vielfältig. In Videospielen kommen Unterhaltung, Kunst und Kultur zusammen. Jeder dieser Bereiche bietet spannende Ansatzpunkte – auf beiden Seiten des Bildschirms. In unserer Betrachtung von Spielegenres gehen wir beispielsweise der Frage nach, wie verschiedene Spielmechaniken Gefühle und Reaktionen in uns auslösen und welche Fähigkeiten wir eigentlich zum Spielen benötigen.

Wir untersuchen auch immer wieder die Darstellung und Wirkung gesellschaftlicher Themen in Games, zuletzt die Themen Suizid und Radikalisierung. Regelmäßig widmen wir uns Themen der psychischen Gesundheit wie Depression und Computerspielabhängigkeit.

Puppe mit Headset und Controller

Foto: Giorgio Trovato / Unsplash.com

Behind the Screens über die Diagnose Gaming Disorder

Ihr habt euch in einer Podcast-Folge auch schon einmal mit Computerspielabhängigkeit beschäftigt. Das war eine sehr gute und differenzierte Betrachtung der Diagnosemöglichkeit „Gaming Disorder“. Könnt ihr eure Position dazu nochmal kurz in Worte fassen?

Computerspielabhängigkeit ist ein wichtiges Thema, weil es häufig auch Kinder und Jugendliche betrifft. Eltern schauen oft besorgt auf die Uhr, wenn Kinder mal etwas länger spielen. Tatsächlich ist die reine Zeitkomponente aber noch kein guter Hinweis auf eine Abhängigkeit.

Stattdessen ist es wichtiger darauf zu achten, ob die tägliche Lebensführung durch das Spielen beeinträchtigt ist. Beispielsweise, wenn man an nichts anderes mehr denken kann und daher die Konzentration für andere Aufgaben fehlt. Oder wenn das Spielen so wichtig wird, dass man versäumt, zur Arbeit oder zur Schule zu gehen. Das sind dann Alarmsignale, die man ernstnehmen sollte.

Ein Gespräch mit Psychotherapeut*innen kann helfen, den Problemen nachzugehen und zu prüfen, ob wirklich eine Abhängigkeit vorliegt. Nicht immer liegt das an den Spielen selbst. Häufig wird auch gespielt, um anderen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen oder sie zu kompensieren.

Die ganze Podcast-Folge zu Computerspielabhängigkeit könnt ihr euch hier anhören.

Badelatschen mit der Aufschrift "Game Over"

Foto: Abdul Bakar / Unsplash.com

Lootboxen, Glücksspiel und Jugendschutz

Ben hat mal einen Kommentar über die psychologische Perspektive auf Lootboxen geschrieben. Wie schätzt ihr das gesundheitliche Gefahrenpotential von Lootboxen ein?

Lootboxen sind so etwas wie virtuelle Wundertüten, bei denen man vorher nicht weiß, was man rausbekommt. Zum Teil können sie aber virtuelle Gegenstände enthalten, denen im Spiel ein großer Wert zukommt. Gerade kostenfrei angebotene Spiele finanzieren sich durch den Verkauf solcher Lootboxen und üben nicht selten Druck auf die Spieler*innen aus, diese zu kaufen.

Man kann dabei beobachten, dass Lootboxen sich Mechanismen bedienen, die klassischem Glücksspiel sehr ähnlich sind. Das stellt besonders für Kinder und Jugendliche ein Risiko dar, aber auch für Menschen, die anfällig für Abhängigkeiten sind.

Bisher konnten diese Risiken bei der Altersbewertung von digitalen Spielen nicht berücksichtigt werden. Das wird sich voraussichtlich aber mit der Novelle des Jugendschutzgesetzes ändern, die kürzlich im Bundestag beschlossen wurde. Zukünftig sollen sogenannte Interaktionsrisiken wie Glücksspiel-ähnliche Mechanismen von der USK ebenfalls eingeschätzt werden und können unter Umständen auch die Altersbewertung beeinflussen. Die Information, ob Spiele solche Mechanismen enthalten, kann einzelnen auch bei der Selbststeuerung ihres Medienkonsums helfen, beispielsweise, wenn sie wissen, dass sie empfänglich dafür sind.

Laptop mit buntem Bildschirm

Foto: Zinou Benhaya / Unsplash.com

Mini-Studie von behind the Screens zu Gaming Communities

Ihr führt selbst wissenschaftliche Mini-Studien durch, die ihr bei Behind the Screens vorstellt. Was ist eure Idee/euer Ziel dahinter? Was konntet ihr bisher dadurch herausfinden?

Gerade zu Spielethemen steckt die Forschung oft noch in den Kinderschuhen. Wenn wir ein Thema interessant finden, zu dem es aber noch nicht viele empirische Befunde gibt, dann haben wir in der Vergangenheit schon Befragungen vorbereitet, die online ausgefüllt und geteilt wurden. Zuletzt haben wir zum Beispiel nach Erfahrungen mit Spiele-Communitys gefragt. Erste Ergebnisse wurden in Ausgabe 16 des GAIN-Magazins veröffentlicht.

Dabei kam heraus, dass fast alle Befragten beim Online-Spielen schädigendes Verhalten und Angriffe beobachten, zum Beispiel Beschimpfungen oder sexistische und rassistische Diskriminierung. Neun von Zehn Befragten waren nach ihren Angaben auch schon selbst Opfer solcher Angriffe. Eine detaillierte Auswertung soll demnächst auch bei Behind the Screens erscheinen.

Danke für das Interview!

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