FoMO ist eines der Schreckensgespenster der modernen Kommunikationstechnologie. Die Abkürzung steht für Fear of Missing Out, also die Angst, etwas zu verpassen. Dem Phänomen haben wir schon einmal einen Blogbeitrag gewidmet, den du hier nachlesen kannst. Dort haben wir uns zum Beispiel einen wissenschaftlichen Fragebogen angeschaut, mit dem Du testen kannst, wie viele der FoMO-Symptome du erfüllst. Inzwischen gibt es sogar mehrere Forschungsarbeiten zu FoMO, die darauf hinweisen, dass es Zusammenhänge geben könnte zwischen…
Wissenschaftliche Studien zu FoMo (Beispiele)
Social Media-Sucht, FoMO und Produktivität
In einer neuen Studie aus Deutschland wurde der Zusammenhang zwischen FoMO, Social Media-Sucht und negativen Auswirkungen auf den Alltag und die Produktivität bei der Arbeit untersucht. An der Studie haben knapp 750 Menschen teilgenommen, die Symptome von FoMO und der Abhängigkeit von einem sozialen Medium zeigten. Das Forschungsteam hat für die Studie vier Theorien aufgestellt.
Die vier Theorien des Forschungsteams
- Je stärker die FoMO, desto negativer der Effekt auf das tägliche Leben und die Produktivität am Arbeitsplatz
- Umso stärker die FoMO, desto stärker die Abhängigkeit von sozialen Medien
- Je stärker die Abhängigkeit von sozialen Medien, desto negativer der Effekt auf das tägliche Leben und die Produktivität am Arbeitsplatz
- Tägliches Leben und Produktivität am Arbeitsplatz werden von FoMO nicht nur direkt, sondern auch indirekt beeinflusst; Abhängigkeit von sozialen Medien wirkt als Mediator / Vermittler
Das Ergebnis mag wenig überraschen: Zwischen den drei Untersuchungsaspekten besteht überall ein Zusammenhang. Die Untersuchungsergebnisse bestätigen alle vier Theorien des Forschungsteams. Zwei Dinge bringen uns aber zum Nachdenken.
Snapchat scheinbar wenig(er) einflussreich
Zum einen hat das Forschungsteam nicht nur die Abhängigkeit von sozialen Medien generell untersucht. Insbesondere die suchtartige Nutzung von WhatsApp, Facebook, Instagram und Snapchat wurden auch einzeln untersucht. Für die ersten drei gilt das Ergebnis von oben. Wobei der Effekt der WhatsApp-Sucht am größten war. Gefolgt von Instagram und Facebook. Bei der Snapchat-Sucht konnte allerdings kein wissenschaftlich starker Zusammenhang mit den negativen Auswirkungen auf das Alltagsleben und die Produktivität gefunden werden. Warum ist das so? Ist Snapchat doch harmlos?
Snapchat: Verschwindende Nachrichten, FoMO und Sucht
Snapchat sei die einzige der untersuchten Plattformen, deren Inhalte nur zeitlich begrenzt verfügbar sind, so die Wissenschaftler*innen. Daher liege es nahe, dass Nutzer*innen versucht sind, die App noch öfter auf Neuigkeiten zu checken als andere Social Media Apps. Und davon wiederum wäre eine erhöhte problematische Snapchat-Nutzung zu erwarten.
Was die Wissenschaftler*innen hier offensichtlich übersehen haben, ist dass die anderen drei Medien inzwischen auch verschwindende Inhalte haben. Nämlich die Stories bei Instagram und Facebook und den Status bei WhatsApp – auch wenn es auf diesen Plattformen nach wie vor noch Inhalte gibt, die langfristig bestehen bleiben.
Dass verschwindende Nachrichten zu FoMO und suchtartiger Mediennutzung beitragen können, haben wir bereits in unserem Blogbeitrag über Addictive Design beschrieben. Kleine Info am Rande: Auch die Snapchat Streaks können es in sich haben, wenn wir über Suchtentwicklung und Suchtprävention sprechen.
Auch Snapchat im Hinblick auf Suchtrisiko nicht ganz harmlos
Aber scheinbar wirkt sich eine Snapchat-Sucht gar nicht allzu negativ auf unser Alltagsleben und unsere Produktivität am Arbeitsplatz aus. Zumindest deuten die Ergebnisse dieser Studie darauf hin. Das Forschungsteam fragt sich zu Recht „Warum?“ und hat dazu gleich eine ganze Reihe von Ideen: Zu geringe Nutzungszahlen, zu geringe Proband*innenzahl mit Snapchat-Sucht, zu wenig Snapchat-Bezug in den Testfragen sowie mehr Addictive Design-Elemente und Zusammengehörigkeit der drei anderen Plattformen.
Was davon letztendlich zutrifft oder ob überhaupt eine der Erklärungsmöglichkeiten greift, können wir nicht beurteilen. Fakt ist jedoch, dass es Menschen gibt, die Snapchat suchtartig nutzen und mit den charakteristischen Sucht-Symptomen darunter leiden. Wir sollten sein Suchtrisiko also ernst nehmen und können nicht davon ausgehen, dass Snapchat gänzlich harmlos ist.
Produktivität: FoMO und Sucht können nicht alles erklären
Das zweite Testergebnis, dass uns zum Nachdenken bringt ist dieses: Die negativen Einflüsse auf Alltag und Produktivität ließen sich nicht vollständig durch das Modell des Forschungsteams erklären, sondern nur zu rund 30 Prozent. Das heißt, selbst wenn wir an FoMO und Social Media-Abhängigkeit leiden, sind diese wahrscheinlich nicht allein dafür verantwortlich, wenn wir unproduktiv sind. Andere mögliche Erklärungen könnten beispielsweise in unseren Persönlichkeiten oder psychischen Erkrankungen zu finden sein.
Ob Snapchat oder Instagram: FoMO allein löst keine Sucht aus
Wenn Du an FoMO leidest, hilft eine Social Media-Abstinenz alleine Dir vermutlich nicht, um produktiv zu bleiben. Denn die FoMO lenkt Dich auch dann ab, wenn gerade gar keine sozialen Medien in Deiner Reichweite sind. Je höher Dein FoMO-Lever ist, desto unproduktiver bist Du. Und je stärker FoMO bei Dir ausgeprägt ist, desto höher kann Dein Risiko sein, eine Social Media-Sucht zu entwickeln. Zumindest in der Theorie. Bei der Entstehung einer Suchterkrankung spielen aber noch andere Faktoren eine Rolle, was du in diesem Blogbeitrag nachlesen kannst.