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Smartphone mit App-Symbolen sozialer Medien

Foto: Jeremy Bezanger / Unsplash.com

Warum nutzen wir so gerne soziale Medien?

21 April 2022

Lesezeit 6 Minuten

Der Großteil unserer Onlinezeit entfällt auf soziale Medien. Die Umfrage zu der untenstehenden Infografik stammt zwar aus dem Jahr 2013. Dass unsere Nutzungszeiten seitdem gesunken sind, ist jedoch höchst unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Gerade seit Ausbruch der Pandemie sind unsere Onlinezeiten gestiegen, so wohl auch die Zeit, die wir mit sozialen Medien verbringen. Zudem haben in den letzten zehn Jahren einige neue soziale Netzwerke an Beliebtheit gewonnen, beispielsweise Snapchat, TikTok und Discord.

Infografik Nutzungszeiten

Grafik: Statista

Soziale Medien: Nutzen und Belohnung

Um zu erklären, warum wir soziale Medien gerne nutzen, zieht Psychologe Dr. Christian Montag in seinem neuen Buch (2021) die Nutzen- und Belohnungs-Theorie (uses and gratification theory) heran. Diese Theorie beleuchtet verschiedene Grundbedürfnisse der Menschen. Daran knüpft sie unterschiedliche Motive für die Nutzung eines bestimmten Angebots, beispielsweise sozialer Medien.

  • Hedonistische Belohnung = Spaß (hedonic gratification)
  • Soziale Belohnung (social gratification)
  • Utilitäre Belohnung = Mehrwert (utilitarian gratification)

Soziale Medien können Spaß machen

Ob Fotos von atemberaubenden Sonnenuntergängen, lustige Katzenfotos oder das neusten Meme – soziale Medien können uns Freude bereiten. Die endlosen Timelines spülen uns massenweise Inhalte, die unseren Interessen entsprechen, vor die Augen. Wir müssen das Haus nicht verlassen, um die schönsten Orte auf der Welt zu sehen. Wir müssen uns nicht selbst um ein Tier kümmern, um süße Fotos und Videos davon zu schauen. Soziale Medien können unsere Langeweile vertreiben und uns ein gutes Gefühl geben, ganz bequem vom Sofa aus, ohne großen Aufwand und in nur wenigen Sekunden. Das bezeichnet die hedonistische Belohnung.

Aber Vorsicht: Nicht nur unangemessene Inhalte und Cybermobbing können Dir den Spaß an Social Media ganz schnell verderben. Das Lustgefühlt, dass wir bei der Nutzung sozialer Medien empfinden, spielt auch bei der Entstehung einer Sucht (Social Media Disorder) eine wichtige Rolle.

Das „sozial“ in Social Media

Soziale Medien verdanken ihren Namen ihren interaktiven Funktionen. Vor dem Web 2.0, wie soziale Medien auch genannt werden, gab es so etwas wie Freundschaftsanfragen, Kommentarfunktion und Likes kaum im Netz. Die sozialen Netzwerke haben nicht nur Menschen miteinander verbunden, sondern ihnen auch die Möglichkeit des Austausches in Echtzeit gegeben. Soziale Medien erfüllen damit unser grundlegendes Bedürfnis nach sozialem Miteinander, wenn auch in einer anderen Qualität als in der analogen Welt.

Das konnten wir zuletzt in der Corona-Pandemie mehr als deutlich erfahren. In den Hochzeiten von Lockdown und Social Distancing hätten manche von uns sich ohne soziale Medien wohl sehr einsam gefühlt. Dank Messengern und sozialen Netzwerken konnten wir aber miteinander in Verbindung bleiben und uns gegenseitig Trost spenden und Mut machen. Ist es uns nicht möglich, unsere Lieben in Präsenz zu treffen, kann Social Media vorübergehend ein passabler Lückenbüßer sein. Eine echte Umarmung können sie aber nicht ersetzen.

Unseren natürlichen sozialen Netzwerken sind zudem Grenzen gesetzt: Im Durschnitt schaffen wir es, mit lediglich 150 Menschen befreundet zu sein. Diese Zahl ist in der Wissenschaft unter „Dunbar’s Number“ oder auf Deutsch „Dunbar-Nummer“ bekannt. Benannt ist sie nach dem britischen Psychologe Robin Dunbar. Er hat sich unsere Gehirn-Kapazitäten und unser Sozialverhalten angesehen und untersucht, mit wie vielen Menschen wir sinnvoll interagieren können (Dunbar 1993).

Netzwerk von dutzenden Menschen

Grafik: GDJ / Pixabay.com

Und wie viele Kontakte hast Du in deinen digitalen sozialen Netzwerken? Ist es Dir auch schon einmal passiert, dass Du durch Deine Freundschaftsliste scrollst und Dir denkst: „Huch, wer ist denn das?“ Ganz einfach. Mit mehr als 150 Kontakten ist unser Gehirn hoffnungslos überfordert.

Der Mehrwert sozialer Medien

Auch über Spaß und Soziales hinaus, kann Social Media einen Mehrwert für uns haben, beispielsweise die Gewinnung von Informationen, die Überbrückung von Zeit oder der Aufbau eines beruflichen Netzwerkes. Die JIM-Studie hat Jugendliche nach ihren Nutzungsanreizen befragt. Ihre Antworten lassen sich ganz einfach in das Nutzen- und Belohnungsmodell einsortieren.

  • Langeweile vertreiben = hedonistisch
  • Unterhaltung / Spaß haben = hedonistisch
  • Trends mitbekommen = utilitär
  • Beiträge posten = utilitär (Influencer*in) oder sozial (privat)
  • Informieren = utilitär
  • Mit Freunden kommunizieren = sozial
  • Neue Leute kennenlernen = sozial
Infografik Motive für Social Media Nutzung

Grafik: JIM Studie 2021

Dabei kann jedoch nicht jedes Netzwerk alle Bedürfnisse gleichermaßen bedienen.

„Social-Media-Applikationen unterscheiden sich bekanntlich in den Angeboten, die sie ihren Nutzer*innen machen. Instagram ist beispielsweise eher eine Bild-/Videoplattform. Über den Messenger WhatsApp werden vor allen Dingen kurze Nachrichten ausgetauscht. Unterschiedliche Angebote können somit unterschiedliche Grundbedürfnisse erfüllen.“ (Montag 2021: 63f.)

So ist es auch nicht verwunderlich, dass viele von uns mehrere Social Media-Apps nutzen. Weißt Du aus dem Kopf heraus, wie viele soziale Medien Du nutzt? Die Pflege mehrerer Netzwerke bedarf selbstverständlich mehr Zeit als die Pflege eines einzelnen Kanals. So erklärt sich vielleicht auch, warum soziale Medien den Großteil unserer Onlinezeit ausmachen.

Quellen

  • Ernst, C.P.H. (2015): Hedonic and utilitarian motives of social network site usage, in: Factors Driving Social Network Site Usage.
  • Montag, C. (2021): Du gehörst uns! Die psychologischen Strategien von Facebook, TikTok, Snapchat & Co – und wie wir uns vor der großen Manipulation schützen.
  • Schivinski et al. (2020): Exploring the role of social media use motives, psychological wel-lbeing, self-esteem, and affect in problematic social media use, in: Frontiers in Psychology.
  • JIM-Studie 2021
  • Infografik Onlinezeit
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