Eigentlich ist der Silver Surfer eine Comic-Figur aus dem Marvel-Universum. In der Netzkultur versteht man unter Silver Surfern jedoch noch etwas anderes: Internet-Nutzer*innen ab einem Lebensalter von etwa 50 Jahren, deren Haarpracht in diesem Alter langsam aber stetig eine silbergraue Farbe annimmt. Studien zum Internet-Nutzungsverhalten der älteren Generationen gibt es weit weniger als zu Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Der Medienpädagogische Forschungsverband Südwest (mpfs) hat vor kurzem jedoch seine erste SIM-Studie veröffentlicht. SIM steht dabei für Senior*innen, Information und Medien. Die SIM-Studie steht in der Tradition der Studienreihen KIM (Kinder) und JIM (Jugendliche), mit denen der mpfs seit über zwanzig Jahren ein aktuelles Bild zur Mediennutzung bietet. Für die SIM-Studie wurde im Frühjahr 2021 eine repräsentative Stichprobe von etwa 3.000 Menschen über 60 Jahren befragt, ohne Altersgrenze nach oben. Was bei der Befragung herausgekommen ist, fassen wir in diesem Blogartikel kurz zusammen.
Fernseher ist den Senior*innen das liebste Medium
Unverkennbar thront das Fernsehgerät auf Platz 1 der beliebtesten Medien unter den Senior*innen. Aber auch die Anzahl der Menschen über 60, die einen Internetanschluss, einen Computer oder ein Smartphone haben, kann sich sehen lassen. Inzwischen haben mehr Ü60-Jährige ein Smartphone als ein Handy ohne Internetzugang. Dass die Ausstattung mit internetfähigen Geräten mit steigendem Lebensalter abnimmt, ist nicht überraschend. Bei den Ü80-Jährigen nutzt aber dennoch ein Drittel täglich das Internet. Bei den 70- bis 79-Jährigen sind es schon zwei Drittel, bei den 60- bis 69-Jährigen sogar fast 80 Prozent. Von wegen, die älteren Generationen hätten mit dem Internet nichts am Hut. Da sind sie doch, die Silver Surfer.
Silver Surfer sind täglich 94 Minuten online
Von der Häufigkeit der Nutzung können wir allerdings nicht automatisch auf die Nutzungsdauer schließen. Dass das Internet täglich genutzt wird, sagt nichts darüber aus, wie viele Minuten dort verbracht werden. Bei Kindern sind es durchschnittlich 46 Minuten (KIM-Studie 2020) und bei Jugendlichen 241 Minuten (JIM-Studie 2021). Bei den Senior*innen gibt die SIM-Studie ihre Umfrageergebnisse nicht in Minuten pro Tag, sondern in Stunden pro Woche an. Durchschnittlich elf Stunden in der Woche surfen Senior*innen im Internet. Umgerechnet auf einen Tag ergibt das 94 Minuten, also rund doppelt so viel wie Kinder, aber weniger als halb so viel wie Jugendliche.
Wer jetzt denkt, dass die Mediennutzungszeiten der älteren Generationen vollkommen in Ordnung seien, der sollte mal einen Blick auf die Bildschirmzeit der alten Flimmerkiste werfen. Im Durchschnitt läuft der Fernseher in Senior*innen-Haushalten 217 Minuten am Tag. Mehr als jede zehnte Senior*in guckt sogar sechs Stunden oder länger fern. Bei den Jugendlichen sind es mit durchschnittlich 132 Minuten rund 1,5 Stunden weniger. In der KIM-Studie wurde lediglich die Fernsehnutzung der Eltern abgefragt (136 Minuten), nicht jedoch die der Kinder. Aber auch bei den Kindern ist das Fernsehgerät das beliebteste Medium – so wie bei den Senior*innen.
Womit Silver Surfer sich im Internet beschäftigen
Suchmaschinen, WhatsApp und E-Mails sind bei den Senior*innen die meist genutzten Online-Angebote. Im Mittelfeld rangieren Online-Banking, Videoplattformen und Mediatheken. Etwas seltener werden soziale Netzwerke, Online-Shopping, Online-Spiele oder Video-Chats genutzt. Online-Fahrpläne des öffentlichen Nahverkehrs oder Nachbarschafts-Plattformen werden hingegen kaum verwendet.
Eigentlich erstaunlich, ließen sich hierüber doch leicht die eigene Mobilität verbessern und Hilfsangebote aus der unmittelbaren Nähe finden. Beides Angebote, die für ältere Menschen sehr wertvoll sein könnten. Womöglich passt das aber ganz gut mit der Selbsteinschätzung der befragten Senior*innen zusammen, überwiegend gesund zu sein, voll im Leben zu stehen, und keine besondere Hilfe von außen zu benötigen.
Die Offliner*innen unter den Senior*innen
Nach der SIM-Studie zählt in Deutschland jede*r Fünfte über 60 Jahren (19 %) zu den sogenannten „Offliner*innen“. Das heißt, sie selbst nutzen das Internet aus verschiedenen Gründen überhaupt nicht. Lediglich über andere Personen erhalten diese Offliner*innen manchmal Informationen aus dem Internet. Bei den Personen ab 80 Jahren ist es sogar fast die Hälfte (49 %), die offline lebt. Gründe, warum das Internet von diesen Menschen nicht genutzt wird, gibt es viele. Hier ein paar Beispiele:
- Die Informations- und Unterhaltungsangebote von Presse, Radio und Fernsehen reichen mir aus.
- Ich brauche das Internet weder beruflich noch privat.
- Ich habe weder Zeit noch Lust mich mit dem Internet zu beschäftigen.
- Der Aufwand zum Erlernen der Nutzung des Internets ist mir zu hoch.
- Ich traue mir die Benutzung des Internets nicht zu.
- Ich lehne das Internet grundsätzlich ab.
- Das Internet ist mir zu unsicher.
- Ich habe niemanden, der mir den Einstieg ins Internet erleichtert.
- Die finanziellen Kosten für die Nutzung des Internets sind mir zu hoch.
- Ich habe Probleme mit dem Gedächtnis, die mich von einer Nutzung des Internets abhalten.
- Ich habe körperliche Probleme (z.B. Sehen, Fingermotorik), die mich von einer Nutzung des Internets abhalten.
Die meisten Offliner*innen unter den Senior*innen sind schlichtweg der Ansicht, dass sie das Internet nicht brauchen, da ihnen klassische Medien ausreichen. Spannend: Mehr als ein Drittel der Befragten lehnt das Internet grundsätzlich ab. Aus welchen Gründen sie das Internet ablehnen, wurde in der SIM-Studie leider nicht erfasst.
Die Medienkompetenz der Silver Surfer
Einigen der älteren Menschen ist die Nutzung des Internets jedoch auch schlichtweg zu aufwendig, zu schwierig, zu teuer oder zu riskant. Fast die Hälfte der Ü60-Jährigen benoten ihre Digitalkompetenz mit der Schulnoten 4 (ausreichend), 5 (mangelhaft) oder 6 (schlecht). Nur jede*r Fünfte schätzt die eigene Medienkompetenz als sehr gut oder gut ein.
Bei der Recherche von Informationen fühlen sich die Senior*innen dabei noch am sichersten. Video-Kommunikation, eRezepte oder technische Fehlerbehebung sind für die meisten jedoch noch ein Graus. 2 von 10 Befragten zeigen auch gar kein großes Interesse daran, den Umgang mit neuen Geräten oder Angeboten zu erlernen. Den meisten ist jedoch bewusst, dass technischer Fortschritt nicht nur Nachteile, sondern auch viele Vorteile mit sich bringt.
Quellen
- SIM-Studie 2021: Senior*innen, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang von Personen ab 60 Jahren in Deutschland.
- JIM-Studie 2021: Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger.
- KIM-Studie 2020: Kindheit, Internet, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger.