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Füße auf einer Körperwaage: Menschen mit einer Essstörung haben oft ein krankhaftes Körpergewicht.

Foto: I Yunmai/Unsplash

Zu dick oder zu dünn? Verharmlosung von Essstörungen im Internet

09 Mai 2019

Lesezeit 6 Minuten

Essstörungen haben viele Gesichter: Anorexia (Magersucht), Bulemie (Erbrechen nach dem Essen), Binge Eating (Fress-Attacken ohne Erbrechen). Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) leiden in Deutschland von 1.000 Menschen etwa 30 bis 50 an einer Essstörung (3-5 %). Besonders erschreckend finden wir, dass demnach ungefähr ein Fünftel (20 %) der Kinder und Jugendlichen im Alter von elf bis 17 Jahren Symptome einer Essstörung zeigt. Mädchen und Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Jungen und Männer, so die BZgA. Weitere Zahlen und Fakten zu krankhaftem Essverhalten findest Du auf der Internetseite der BZgA.

Welche Gefahren lauern bei der Hilfesuche im Internet?

Falls Du mit Deinem Körpergewicht unzufrieden bist, hast Du diesbezüglich vielleicht schon einmal nach Informationen, Tipps und Tricks im Internet gesucht. Für Menschen mit krankhaftem Essverhalten können Onlineangebote eine anonyme Möglichkeit für Beratung und Austausch bieten. Dort finden sich allerdings nicht nur seriöse Informationen und gesunde Hilfeangebote. Einige Seiten und Foren verharmlosen oder verherrlichen Essstörungen. Sie ermutigen die Leser*innen, an ihrer Erkrankung festzuhalten. Egal, ob Du Dich zu dick oder zu dünn fühlst, solche Seiten könnten Deine Gesundheit gefährden.

Teller, auf den ein trauriges Gesicht gemalt wurde

Foto: Thought Catalog/Unsplash

Wie können Online-Angebote mir bei Essstörungen helfen?

Julia Katharina Volkert von der Uni Marburg hat in ihrer Doktorarbeit (2017) untersucht, welchen Einfluss Internet-Foren und soziale Netzwerke auf Menschen mit einer Essstörung haben. Untersucht hat die Wissenschaftlerin dabei sowohl neutrale Internet-Angebote, als auch solche, die Magersucht/Anorexia (Pro Ana) oder Bulemie (Pro Mia) verherrlichen.

Warum (neutrale) Online-Angebote für Erkrankte generell hilfreich sein können, erklärt Julia Katharina Volkert sehr genau. Oft haben sie einen interaktiven Charakter, das heißt die Nutzer*innen können sich untereinander austauschen. Das kann positive Auswirkungen haben:

  • Soziale Unterstützung (Verständnis, Wertschätzung, Respekt, …)
  • Teilweise Überwindung der krankheitsbedingten Isolation durch Online-Community (=Gemeinschaft)
  • Anonymität erleichtert den Austausch über schwierige Themen
  • Ratschläge und Ermutigung zur Krankheitsbewältigung von Personen, die ähnliches durchleben oder durchlebt haben
Karotte mit Maßband

Foto: Charles/Unsplash

Wie gefährlich sind Pro Ana und Pro Mia bei Essstörungen?

Die ersten drei dieser positiven Faktoren könnten sich auch auf Internetseiten, die Essstörungen verharmlosen, finden. Die Wissenschaftlerin stellt jedoch klar, dass die Pro-Ana- und Pro-Mia-Seiten „eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Patient*innen mit Essstörung, aber auch für gesunde junge Menschen dar[stellen].“ Sie nennt dafür unter anderem folgende Gründe:

  • Unterstützung bei der Täuschung von Ärzt*innen, Therapeut*innen und Familienangehörigen, um Essstörung und ungesunde Diät-Methoden zu verheimlichen
  • Ermutigung, wenn nötig auf soziale Beziehungen zu verzichten, um die Essstörung aufrecht zu erhalten

Bei der Suche nach Infos und Hilfe im Internet, ist es also gut, ganz genau hinzusehen: Ist das Angebot seriös? Wird mir hier wirklich geholfen, gesund zu werden? Oder zieht mich die Community nur weiter in meine Essstörung hinein?

Ein dünner Arm neben drei Orangen.

Foto: Elena Koycheva/Unsplash

Wie erkenne ich Seiten und Foren, die Essstörungen verherrlichen?

Das Bundesministerium für Gesundheit hat Elemente aufgelistet, die auf Pro Ana oder Pro Mia hinweisen können:

  • Die Essstörung wird als einzig wahre Freundin dargestellt
  • Gebote, Gesetze, Verhaltensanweisungen in Form von Glaubensregeln
  • Fotos und Videos als Inspiration zum Dünnsein
  • Tipps und Tricks zum Abnehmen und zum Geheimhalten der Essstörung
  • Motivation zum Abnehmen, zum Beispiel Motivationsverträge, Abnehm-Wettbewerbe
  • Ess- und Gewichtstagebücher
  • Suche nach Partner*innen zum Abnehmen
  • Zugang häufig nur mit Passwort möglich

Das Gesundheitsministerium bittet darum, verdächtige Angebote zu melden, damit sie geprüft und gegebenenfalls geschlossen werden können. Melden kannst Du die Seiten zum Beispiel bei www.jugendschutz.net oder bei www.internet-beschwerdestelle.de.

Gemüse ordentlich nebeneinander aufgereiht

Foto: Toa Heftiba/Unsplash

Wo finde ich mehr Infos zu Essstörungen und gesunde Hilfe?

Hinweis: Die BZgA hat auch Kurzfilme für Angehörige und Fachkräfte erstellt. Mit der Hilflosigkeit von Angehörigen haben wir uns in einem früheren Blogartikel beschäftigt.

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