Auch 20 Jahre nach Erscheinen des ersten „Harry Potter“ Buches ist Hogwarts immer noch sehr beliebt. Das Mobile-Game „Hogwarts Mystery“ erfüllt den Traum eines jeden Harry Potter-Fans, den „Potterheads“: Einen eigenen Brief aus Hogwarts zu bekommen. Im „Point-and-Click-Adventure“ wird man selbst zum Zauberschüler, besucht den Unterricht und schließt Freundschaften.
Bereits vor dem Release wurde das Spiel von Potterheads mit großer Spannung erwartet. Die tatsächliche Begeisterung hält sich in Grenzen, wie die Gamestar bereits kurz nach dem Release berichtete. Eine ausführliche Darstellung des Spiels, inklusive kritischer Auseinandersetzung findet sich auf Mobilegeeks.
Anhand dieses Spiels wollen wir zwei Problembereiche von Mobile-Games näher betrachten: Die Kontrolle der Zeit seitens des Spiels und die Kosten eines „free-to-play-Games“, welches grundsätzlich kostenlos gespielt werden kann, aber immer wieder dazu verleitet, doch Geld auszugeben.
Das Problem mit der Zeit
„Hogwarts Mystery“ ist darauf ausgelegt, dass die „Lektionen“ innerhalb bestimmter Zeiträume durchgespielt werden müssen. Die Spielenden wählen die Dauer einer solchen Lektion, wobei die längsten in Bezug auf die im Spiel in Aussicht gestellte Belohnung am attraktivsten sind. Eine Acht-Stunden-Lektion kann nach dem Start nicht direkt am Stück durchgespielt werden, weil dem Spielenden die benötigte „Energie“ ausgeht. Diese könnte mit Hilfe von Edelsteinen aufgefüllt werden, die es im Spiel als Belohnungen zu gewinnen und im Shop zu kaufen gibt.
Warte oder bezahle
Wird nicht in Energie investiert, warten die Spielenden bis genügend Energie vorhanden ist – vier Minuten pro Energiepunkt. Diese lädt sich nicht unendlich weiter auf. Es erfordert ein taktisches Vorgehen, eine Lektion dann zu starten, wenn das Energielevel voll ist und man innerhalb der nächsten Stunden die Zeit hat, kontinuierlich zu spielen.
Wer kontrolliert die Spielzeit – Spiel oder Spielende?
Jugendliche werden durch dieses Spielprinzip dazu verleitet, z.B. während der Schulzeit in das Spiel zu klicken oder nahezu ihre ganze Freizeit mit dem Spielen zu verbringen, um die lohnenderen Lektionen spielen zu können.
Der Spielspaß bei „Hogwarts Mystery“ gestaltet sich folgendermaßen:
- wenige Minuten am Stück spielen,
- längere Wartezeit,
- im richtigen Moment weiter spielen, um im vorgegebenen Zeitlimit zu bleiben,
- erneute Wartezeit.
- Kann da überhaupt noch von Spaß die Rede sein?
Nur wenige Minuten am Stück
Nur wenige Minuten am Stück zu spielen, könnte einer Anhängigkeit vorbeugen. Diesen Aspekt, es sei „ein Spiel für zwischendurch“, hebt Youtuber Daniel (dagil_lbh) in seinem „Realtalk“ zum Spiel hervor.
Mit der Thematik „Ein kleines Spielchen für zwischendurch“ haben wir uns bereits im Zusammenhang mit den Puzzle-Spielen befasst. Begrenzte Spielzeit kann durch den Wechsel in andere Spiele kompensiert werden. Zu „Hogwarts Mystery“ gibt es alternative Spiele mit ähnlicher Spielweise, und in diesem Jahr wird ein weiteres mobiles Abenteuerspiel für Potterheads erscheinen: „Wizards Unite“.
Ist es also nicht ziemlich schlau gelöst, dass Hogwarts Mystery nur wenig Zeit beansprucht, damit wir später mehr Zeit in Wizards Unite investieren können? Sonst müssten wir uns ja früher oder später für ein Harry Potter Game entscheiden. (Daniel, dagil_lbh)
Rechtzeitig weiterspielen
Bei Spielen wie „Hogwarts Mystery“ kommt im Gegensatz zu den Puzzle-Spielen ein weiterer Faktor hinzu: Der Spielende muss zum richtigen Zeitpunkt weiterspielen, denn die Zeit läuft ab. Wird die Lektion nicht im vorgegeben Zeitfenster erfolgreich abgeschlossen, waren alle Mühen umsonst. Es gibt keine Belohnung und kein Weiterkommen.
Somit sind es keine wenigen Minuten Spielspaß zwischendurch, sondern vielmehr ein aktives Warten darauf, weiterspielen zu dürfen. Mit Push-Benachrichtigungen bringt sich das Spiel regelmäßig in Erinnerung.
Die Kosten des kostenlosen Spiels
Im Spiel gibt es drei unterschiedliche virtuelle Währungen: Edelsteine, Münzen und Energiepunkte. Münzen und Edelsteine werden direkt mit realem Geld bezahlt (Ingame-Käufe). Energiepunkte müssen in einem Zwischenschritt aus Edelsteinen umgewandelt werden. Edelsteine, Münzen und Energiepunkte können jeweils in unterschiedlich großen Paketen gekauft bzw. eingetauscht werden. Dabei gilt das einfache Prinzip, je mehr, desto günstiger.
Diese virtuellen Währungen können dazu eingesetzt werden, Aktionen durchzuführen oder Wartezeiten zu überspringen. Außerdem können weitere Elemente zur Gestaltung des Charakters erworben werden, wie beispielsweise andere Frisuren, das Outfit oder Accessoires.
Verwirrende Komplexität
Da Transaktionen zur Gewinnung von Energie oder von zusätzlichen Charakter-Elementen mit virtuellen Währungen durchgeführt werden, wird dem Spielenden das Bewusstsein für den tatsächlichen Preis genommen. Münzen und Edelsteine werden nicht ausschließlich gekauft, sie können auch als Belohnungen erspielt werden und stehen somit allen Spielenden in geringen Mengen zur Verfügung.
Es werden zwei unabhängige Entscheidungen im Spiel getroffen, ohne dass sie immer in einem direkten Zusammenhang stehen:
- Nutze ich die kostbaren Ressourcen?
- Gebe ich mein Geld für Edelsteine oder Münzen aus?
Besondere Angebote verleiten dazu, Edelsteine oder Münzen zu kaufen, ohne diese direkt einzusetzen. Dadurch fehlt häufig der direkte Bezug zwischen der Investition von realem Geld und dem Erhalt neuer Items oder Energie.
Die Umrechnung der virtuellen Währungen in reales Geld ist im Spiel kompliziert. Der tatsächliche monetäre Wert ist abhängig von der gewünschten Paketgröße. Zudem errechnet sich der tatsächliche Preis über komplizierte Wechselkurse des Spiels. Dies erschwert das Bewusstsein für den tatsächlichen „Wert“ eines virtuellen Objektes zusätzlich.
In seinem YouTube-Video erklärt Fynn (Ultralativ) anschaulich, was eine Stunde „Hogwarts Mystery“ am Stück spielen tatsächlich kostet. Ohne finanzielle Transaktion braucht es zwei Tage, um eine Stunde aktive Spielzeit zu erleben.
Zielgruppe zahlende Spieler
Zahlreiche Spielende widerstehen den permanenten Zahlungsaufforderungen und nutzen das kostenlose Spielangebot. Die Zielgruppe der Hersteller sind die wenigen Spielenden, die bereit sind, für eine kürzere Spieldauer zu zahlen, wie Fynn in seinem Video erläutert.
Es gibt unterschiedliche Motive, reales Geld für Mobile Games auszugeben. Die folgende Aufzählung skizziert eine mögliche Kostenspirale. Spirale deswegen, da ein Einstieg an unterschiedlichen Punkten möglich ist und sich die Ausgaben und Erfahrungen spiralförmig wiederholen. Mit jeder Wiederholung wird ein Aufhören schwieriger.
- Investition von kleinen Beiträgen – wenig Geld für etwas mehr Spielspaß – sich mal etwas gönnen
- Positive Erfahrungen: z.B. verkürzte Wartezeiten, mehr Spielspaß
- Die Hemmschwelle für den Einsatz virtueller Währung sinkt
- Lukratives Sonder-Angebot lockt
- Ingame-Guthaben wird erneut aufgeladen
- Virtuelle Ressourcen sind erschöpft
- Negative Erfahrung: Ohne Guthaben macht das Spiel weniger Spaß
- Neues Guthaben wird aufgeladen, um den Spielspaß erneut zu erleben
- Neuer Gedanke „Ich habe doch schon so viel investiert“
Verhilft die virtuelle Währung zu größerem Spielspaß, wird es schwieriger auf diesen zu verzichten. Spätestens dann, wenn das Gefühl aufkommt bereits viel in ein Spiel „investiert“ zu haben, wird auch das Aufhören schwierig. Dies kann durchaus mit Frust und Ärger über sich selbst einhergehen, dem durch erneute Zahlungen zu entkommen versucht wird, damit der Spielspaß zurückkommt und das schlechte Gewissen weicht.
Jemand, der den Überblick über die realen Ausgaben nicht behält, kann sehr schnell viel Geld ausgeben.
Frage dich selbst: Wie viel bist du bereit für deinen Spielspaß zu bezahlen?
Mobile-Games – „free-to-play“?
Das Prinzip, ein Spiel kostenlos „free-to-play“ anzubieten, und es dann durch Ingame-Käufe zu finanzieren, ist weit verbreitet. Offenbar funktioniert es. Der deutsche Spielemarkt verzeichnet aufgrund von Mikrotransaktionen ein Umsatzplus, wie Heise berichtet. Dementsprechend ist nicht zu erwarten, dass sich das Finanzierungssystem der Branche in nächster Zeit verändern wird.
Bei „Hogwarts Mystery“ hagelt es besonders viel Kritik, denn das sehnsüchtig erwartete Spiel erfüllt im Gameplay nicht die Erwartungen der Potter-Fans. Es macht, unabhängig von den Transaktionen, schlicht keinen Spaß. Youtuber DoktorFroid erklärt:
Das Problem an „Hogwarts Mysery“ ist, es treibt dieses Prinzip echt auf die Spitze. (Youtube Video)
Was tun?
Kritik am Spielprinzip zu äußern wäre eine Möglichkeit. So hatte Carsten von Mobilegeeks in seiner Kritik, die kurz nach dem Release erschien, noch folgende Hoffnung:
Ich habe allerdings noch die leise Hoffnung, dass man sich bei Warner/Portkey Games bzw. bei Jam City eines Besseren belehren lässt und entscheidend beim Energie-System nachbessert.
Um verantwortungsbewusst mit Mikrotransaktionen umzugehen, sind Selbstkontrolle und eine klare Haltung gefragt.
Grundsätzlich keine Ingame-Käufe zu tätigen, ist der sicherste Weg, nicht in eine Kostenspirale zu geraten.
Wenn du bereit bist für kostenlose Spiele auch zu bezahlen, dann überlege dir, wie viel es dir wert ist und behalte deine Transaktionen im Blick.
Sobald Zahlungsdaten direkt hinterlegt sind, ist es extrem einfach unreflektiert Geld auszugeben. Müssen die Kontodaten erst noch eingegeben werden, besteht die Chance, noch einmal zu überlegen, ob man diese Transaktion wirklich durchführen möchte. Prepaidkarten sind eine Möglichkeit, die Kosten zu kontrollieren.
Prepaidkarten ermöglichen auch Minderjährigen Mikrotransaktionen. Sie können ein Einstieg in die Kostenspirale sein. Daher ist es wichtig, dass Eltern sich nicht darauf verlassen, dass ihren Kindern nur ein begrenztes Guthaben zur Verfügung steht und sie „damit nicht viel anstellen können“. Wir empfehlen Eltern ein sachliches Gespräch über den Einsatz von realer und virtueller Währung. Hilfreiche Tipps für ein solches Gespräch finden Eltern auf Klicksafe.
Vergiss niemals: Spiele sollen Spaß machen.Sobald das Spiel dein Spielverhalten kontrolliert, läuft etwas schief.