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Social media Logos, Gabel und Maßband

Bild: Collage aus Diana Polekhina / Unsplash.com und Saskia Rößner / webcare+

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Social Media und Essstörungen?

03 Februar 2022

Lesezeit 6 Minuten

Junge Menschen sind von Essstörungen besonders gefährdet. Junge Menschen sind es auch, die im Vergleich zu anderen Altersgruppen besonders viel Zeit mit sozialen Medien verbringen. Das muss erstmal nicht automatisch bedeuten, dass es da einen kausalen Zusammenhang gibt. Ob das wirklich so ist, dafür interessiert sich die Wissenschaft schon seit einigen Jahren. Deswegen gibt es inzwischen auch mehr als ein Dutzend Studien zu der Frage. Wir fassen die neusten Forschungsergebnisse für Dich zusammen.

Essstörungen: Binge-Eating, Bulemie und Magersucht

„Von den drei Erkrankungsformen der Essstörung ist die Binge-Eating-Störung die häufigste, gefolgt von der Bulimie“, erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. „Die bekannteste Form, die Magersucht, tritt am seltensten auf. Von 1.000 Mädchen und Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens durchschnittlich etwa 28 an einer Binge-Eating-Störung, 19 an Bulimie und 14 an Magersucht. Jungen und Männer sind deutlich weniger betroffen: Von 1.000 erkranken im Laufe ihres Lebens durchschnittlich etwa 10 an einer Binge-Eating-Störung, 6 an Bulimie und 2 an Magersucht.“ Zudem gibt es Mischformen, die genauso häufig seien wie die Reinformen der Erkrankungen, so die BZgA.

Körperideale: Schön, schlank und sportlich

Was ist eigentlich Schönheit? Darüber streiten Philosoph*innen schon seit Jahrtausenden. Sind die Models auf Werbeplakaten oder in Online-Werbeanzeigen schön? Was wir dabei häufig vergessen: Diese Bilder sind bearbeitet und gaukeln uns falsche Tatsachen vor. Lange Beine, Waschbrettbauch, makellose Haut und volles Haar: Alles mit ein paar Klicks herbeigezaubert! Solche Anzeigen zeigen uns Körpermaße und Schönheitsideale, die alles andere als gesund und natürlich sind.

Im letzten Jahrtausend waren solche gefälschten Werbeanzeigen noch denen vorbehalten, die viel Geld, teure Technik und erfahrene Grafiker*innen hatten. In sozialen Medien wie Snapchat und Instagram haben wir inzwischen alle die Möglichkeit, Fotos mit vorgefertigten Filtern zu bearbeiten. Das kann hilfreich sein, um mal schnell einen fiesen Pickel verschwinden zu lassen. Das kann aber auch leicht zu sozialem Druck führen, ausschließlich perfekte Fotos zu posten.

Silouette einer Frau

Foto: Sergi Dolcet / Unsplash.com

Instagram & Co: Unzufriedenheit, Depression und Essstörung?

Instagram, Facebook und TikTok sind längst nicht mehr nur persönliche Online-Fotoalben, in denen wir schöne Erinnerungen sammeln und teilen können. Sie sind zu Plattformen der Selbstdarstellung und des sozialen Vergleiches geworden. Digitale Visitenkarten, auf denen jede Pose sitzen, jedes Foto möglichst perfekt sein muss. Da passiert es leicht, dass Du denkst, alle anderen Nutzer*innen seien schöner, glücklicher und erfolgreicher als Du. Versuche Dir bewusst zu machen, dass das oft alles nur Fassade ist.

Sich gegen diesen Trend zu wehren und einfach Du selbst zu bleiben, ist mitunter gar nicht so einfach. Mitzumachen, scheint jedoch die weitaus schlechtere Wahl zu sein: Studien berichten von der Entwicklung negativer Körperbilder, depressiven Symptomen und Essstörungen. Doch was ist dran an den Berichten?

Neue Meta-Studie zu Social Media und Essstörungen

Ein spanisches Forschungsteam hat kürzlich die Ergebnisse von 19 relevanten Studien aus den Jahren 2011 bis 2019 zusammengefasst. Die Studien stammen aus den USA, Australien, Kanada, Fiji, Korea, Thailand, Singapur, den Niederlanden und Groß-Britannien.

So eine Übersichtsarbeit (auch Meta-Studie genannt) ist viel aussagekräftiger als eine einzelne Studie, weil Ausreißer in der Masse ausgeglichen werden. Die Erkenntnisse der spanischen Wissenschaftler*innen fassen wir hier für Dich zusammen.

„Diese systematische Übersicht zeigt, dass in einigen Studien der problematische Gebrauch von Social Media mit einem verminderten Selbstwertgefühl und einer verminderten Zufriedenheit, einer Veränderung des Körperbildes und einer möglichen Zunahme depressiver Verhaltensweisen verbunden war. […] Die für Social Media aufgewendete Zeit und die Entwicklung von Essstörungen waren in Studien, die beide Variablen berücksichtigten, stark miteinander verbunden.“

Da scheint also doch was dran zu sein. Aber nicht nur Essstörungen, auch Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, ein geringes Selbstwertgefühl, die Verinnerlichung von Schlankheitsidealen, Körperüberwachung (Maße, Gewicht, BMI, Körperfettanteil, Diät usw.), das Streben nach Schlankheit oder Muskelaufbau zeigten in den meisten Studien einen Zusammenhang mit der Nutzungszeit von sozialen Medien.

Dieser Zusammenhang sei stärker als im Vergleich zur allgemeinen Internetnutzung. Demnach könnte eine intensive Social Media-Nutzung das Risiko eines problematischen oder krankhaften Essverhaltens erhöhen.

Kartoffelchips mit Social Media Logos

Bild: Collage aus GR Stocks / Unsplash.com und Saskia Rößner / webcare+

Social Media kann Essstörungen verlängern und verschlimmern

Negative Auswirkungen habe beispielsweise das Folgen von Gesundheits- und Fitness-Accounts. Der soziale Vergleich mit gleichaltrigen Nutzer*innen aus dem Bekanntenkreis (Peer-Group) sei in diesem Zusammenhang allerdings noch relevanter.

Interessant und erschreckend zugleich: Egal, ob Du auf Social Media positive oder negative Kommentare über Dein Äußeres erhältst, beides kann scheinbar zu Selbstobjektivierung und Selbstüberwachung bezügliche deines Körpers und deiner Ernährung führen. Auch zu Fressattacken, Abführmitteln, Diätmitteln und Mittel zum Muskelaufbau bestehe ein Zusammenhang.

Bei den Menschen, die bereits an einer Essstörung leiden, führe die Nutzung sozialer Medien häufig zu einer Verlängerung oder sogar Verschlimmerung der Krankheit.

Dieser Auszug aus dem Forschungsbericht fasst die Problemlage gut zusammen:

„Social Media-Fotos sind mächtig. Soziale Medien dienen nicht nur der Kommunikation, sondern auch der Aufrechterhaltung von Idealen, die das Identitätsgefühl der Heranwachsenden beeinflussen. Selbst wenn sie nicht böswillig beabsichtigt sind, können auf Social Media angezeigte Bilder das Risiko erheblicher negativer Folgen in allen Bereichen der emotionalen, geistigen und körperlichen Gesundheit erhöhen.“

Verharmlosung von Essstörungen im Internet

Ob nun durch Social Media bedingt oder anderweitig: Falls Du mit Deinem Körpergewicht unzufrieden bist, hast Du diesbezüglich vielleicht schon einmal nach Informationen, Tipps und Tricks im Internet gesucht. Für Menschen mit krankhaftem Essverhalten können Onlineangebote eine anonyme Möglichkeit für Beratung und Austausch bieten. Dort finden sich allerdings nicht nur seriöse Informationen und gesunde Hilfeangebote. Einige Seiten und Foren verharmlosen oder verherrlichen Essstörungen. Sie ermutigen die Leser*innen, an ihrer Erkrankung festzuhalten. Egal, ob Du Dich zu dick oder zu dünn fühlst, solche Seiten könnten Deine Gesundheit gefährden.

Mehr dazu kannst Du in diesem Blogbeitrag nachlesen.

Wo finde ich gesunde Hilfe bei Essstörungen?

Quelle

Paula Frieiro Padín et al. (2021): Social media and eating disorder psychopathology: A systematic review, in: CyberPsychology, Vol. 15, No. 3.

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