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Smartphone mit Herz, Stetoskop, Einsen und Nullen, zwei Hände berühren sich mit den Zeigefindern

Bild: geralt / Pixabay.com

SCAVIS und smart@net – neues kostenloses Hilfeangebot bei Onlinesucht

17 Februar 2022

Lesezeit 5 Minuten

Selbsthilfegruppen für Internetabhängige sind rar, Psychotherapeut*innen und Kliniken haben teilweise lange Wartezeiten, die Anreise zur nächsten Anlaufstelle ist mitunter weit, nicht immer werden Behandlungskosten übernommen. Wer eine Mediensucht entwickelt, hat es manchmal nicht leicht, passende und schnelle Hilfe zu finden. Suchst Du Ansprechpartner*innen vor Ort, findest Du sie in unserer interaktiven Hilfe-Karte. Wer sich vorstellen kann, Hilfe über eine App und online anzunehmen, für den ist SCAVIS vielleicht etwas. Wir haben Prof. Dr. Hans-Jürgen Rumpf, wissenschaftlicher Leiter der Studie, interviewt.

SCAVIS: Neues Hilfeangebot gegen problematischen Medienkonsum

Saskia Rößner: Was versteckt sich hinter dem Namen SCAVIS?

Prof. Dr. Hans-Jürgen Rumpf: SCAVIS ist eine bundesweite Studie, die vom Innovationsfonds gefördert wird. Die Abkürzung SCAVIS steht für „Stepped Care Ansatz zur Versorgung Internetbezogener Störungen“. Das Projekt besteht aus mehreren Stufen. Es geht uns um einen breiten Ansatz, mit dem wir Menschen mit einem problematischen Medienkonsum Hilfestellung leisten möchten. Wir haben zum einen eine App entwickelt, die die erste Stufe des Projektes darstellt. Im zweiten Schritt bieten wir eine telefonische Kurzberatung und im dritten Schritt eine Onlinetherapie an.

Saskia Rößner: Was unterscheidet SCAVIS von anderen Online-Therapie-Angeboten bei Mediensucht wie beispielsweise OASIS oder OMPRIS?

Prof. Dr. Hans-Jürgen Rumpf: Der größte Unterschied ist, dass unsere Angebote niedrigschwellig sind, während die beiden anderen Programme eher in Richtung Therapie gehen. Bei uns stehen zu allererst Maßnahmen der Frühintervention im Vordergrund. OASIS und OMPRIS richten sich hingegen eher an diejenigen, die schon eine schwerwiegendere Symptomatik zeigen.

SCAVIS: Teilnehmen können alle zwischen 16 und 67 Jahren

Saskia Rößner: Wer darf denn bei SCAVIS mitmachen?

Prof. Dr. Hans-Jürgen Rumpf: Da wir niedrigschwellig anfangen, heißt das, dass nicht erst Personen, die bereits eine problematische Internetnutzung oder eine Sucht entwickelt haben, teilnehmen dürfen. Jeder kann teilnehmen, um sein Verhalten zu checken und eine Rückmeldung zu bekommen. Die im Rahmen des Projekts entwickelte App smart@net ist für alle Interessierten frei zugänglich und kostenlos nutzbar. Bereits bei ersten Hinweisen auf ein problematisches Nutzungsverhalten können die Menschen dann unsere Angebote nutzen. Da bei uns alles online bzw. über die App stattfindet, können Menschen aus ganz Deutschland mitmachen. Teilnehmen dürfen alle zwischen 16 und 67 Jahren.

Smartphones, Stetoskop und @-Zeichen

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Saskia Rößner: Wie läuft die Teilnahme am Projekt ab?

Prof. Dr. Hans-Jürgen Rumpf: Wer an SCAVIS teilnehmen möchte, lädt sich als erstes die App herunter (hier klicken für Android | hier klicken für iOs). In der App gibt es einen ersten Fragebogen, der das Nutzungsverhalten checkt.

Für Personen, die Hinweise auf einen problematischen Medienkonsum zeigen, folgt ein vierwöchiges Programm mit weiteren Fragebögen und sehr individueller Rückmeldung. Hier geht es um Erwartungen und Ängste in Bezug auf die Onlinenutzung. Zum Beispiel inwieweit Fear of Missing Out (FoMO), also die Angst, etwas zu verpassen, eine Rolle spielt. Wir stellen Tipps und Anregungen für einen gesünderen Medienkonsum bereit. Das passiert alles in der App. Idealerweise reichen diese vier Wochen schon aus, um das Nutzungsverhalten auf ein unbedenkliches Niveau zu bringen.

Online-Gruppen-Therapie bei schwerer Internetsucht

Saskia Rößner: Und was passiert, wenn das nicht ausreicht?

Prof. Dr. Hans-Jürgen Rumpf: Falls das nicht der Fall ist, bieten wir zwei telefonische Kurzinterventionen von je 50 Minuten mit Psychotherapeut*innen an. Hier geht es vor allem um den Aufbau von Motivation und Tipps zur tatsächlichen Umsetzung. Solche Gespräche wirken in der Regel stärker, weil sie einen persönlichen zwischenmenschlichen Kontakt beinhalten.

Teilnehmende, bei denen das auch noch nicht den gewünschten Erfolg bringt, können eine Online- Gruppentherapie über die Dauer von 15 Wochen nutzen. Personen, die gleich beim Anfangs-Fragebogen eine sehr ausgeprägte Internetnutzungsstörung zeigen, bieten wir direkt diesen dritten Schritt an.

Ein halbes Jahr später machen wir noch eine Nachuntersuchung, um zu prüfen, ob das Verhalten sich geändert hat.

Saskia Rößner: SCAVIS ist nicht nur ein Hilfeangebot, sondern auch eine Studie. Was wollen Sie herausfinden?

Prof. Dr. Hans-Jürgen Rumpf: Unser erstes Ziel ist, herauszufinden, wie wirksam unser Vorgehen ist. Wir hoffen, dass alleine schon die App hilfreich ist, da sie ein Angebot darstellt, das wir einer breiten Anzahl an Personen zur Verfügung stellen können. Die Anzahl an Psychotherapeut*innen und Therapieplätzen ist begrenzt. Die App kann von einer Vielzahl an Menschen ohne Wartezeiten und kostenlos genutzt werden und könnte beispielsweise von der BZgA, Berufsschulen oder Betrieben eingesetzt werden.

Saskia Rößner: Danke für den Einblick ins Projekt. Ich denke, ich werde mir die App aus reinem Interesse auch mal herunterladen und den Fragebogen ausfüllen. Ich würde mich freuen, wenn wir zu gegebener Zeit nochmal miteinander sprechen und erste Ergebnisse von SCAVIS beleuchten könnten.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Rumpf: Sehr gerne!

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