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Große Seifenblasen fliegen durch die Luft.

Zwischen Wohlfühloase und Meinungsvielfalt in den Sozialen Medien

09 Mai 2018

Im Internet ist es leicht, sich mit den Menschen zu umgeben, die man selbst gerne um sich haben möchte. Vernetze Dich gezielt mit denen, die dieselben Interessen haben, dieselbe Meinung teilen und Dich in dem bestärken, was Du bist und tust. Das tut dem eigenen Selbstwert gut.

Like dir die Welt, wie sie dir gefällt (Phil Laude, „Filterbubble“)

Wer Dir nicht gefällt, den blockierst Du einfach. Auf Twitter kannst Du ganze Themen leicht ignorieren, indem Du einzelne Hashtags stumm schaltest. Mit wenigen Klicks gestalten wir uns unsere eigene Community, das eigene Umfeld, die eigene Wohlfühloase. Wir folgen Gleichgesinnten und „befreunden“ uns mit ihnen. Das wiederum bestärkt uns in der eigenen Meinung und Haltung. Andere sehen das genau so, also kann es ja gar nicht so falsch sein, oder?

Kontrastprogramm Realität

Bewegen wir uns an realen Orten, umgeben uns Menschen, die wir nicht auswählen, nicht filtern können. Auf einem Konzert oder Sportevent teilen sie vielleicht ein gemeinsames Interesse mit uns. Doch in der Schule oder auf der Arbeit, aber auch im Supermarkt und an anderen öffentlichen Orten müssen wir uns tagtäglich mit verschiedenen Menschen umgeben, die anders sind, anders denken, andere Meinungen vertreten. Das kann ganz schön anstrengend sein. Der Wunsch, einzelne Personen aus dem eigenen Leben zu verbannen, mit einem Klick zu blockieren, kann aufkommen.

Viele Menschen sitzen in einer Wein-Bar.

Ist das virtuelle Leben da nicht viel einfacher?

Nicht wirklich. Der Umgang mit anderen Menschen, egal ob online oder offline, erfordert soziale Kompetenzen, die nur im Umgang mit anderen Menschen erlernt werden können. Dennoch stellt die Möglichkeit, sich sein Umfeld per „Like“ und „Blockieren“ zurecht zu klicken, ein Reizfaktor dar, der für einige Menschen Soziale Netzwerke im Internet attraktiver als die Realität wirken lassen.

Wer leichter online Kontakte knüpft, aber in der realen Welt niemanden findet, kann sich online wohler fühlen, akzeptierter. Die virtuelle Welt wird dann attraktiver als die reale, es wird zunehmend mehr Zeit online verbracht. Hier liegt ein Risikofaktor.

Die Chance liegt an genau derselben Stelle, online die passenden Kontakte zu finden, die zu wirklichen Freunden oder sogar Beziehungspartnern oder -partnerinnen werden können. Die Herausforderung liegt darin, herauszufinden, ob die Kontaktperson real und ehrlich ist. Das Verstecken und Verstellen ist virtuell nämlich auch viel leichter.

Es sind online viel mehr Menschen nur einen Klick entfernt. Viele Informationen sind bereits verfügbar, bevor überhaupt Kontakt aufgenommen werden muss. Folgen und Blockieren ist tatsächlich leicht. Doch wie leicht ist es, andere auf sich aufmerksam zu machen? In eine wirkliche Interaktion zu kommen und einen guten Kontakt herzustellen? Wie leicht ist es, eine Freundschaft oder gar Beziehung online zu beginnen?

Gestalten wir uns unsere digitale Welt, oder die Algorithmen?

Geprägt wurde der Begriff „Filterblase“ 2011 von Eli Pariser und bezog sich auf seine Feststellung, dass bei derselben Suchanfrage von verschiedenen Personen unterschiedliche Suchergebnisse angezeigt werden. Suchergebnisse basieren auf den Datenspuren, die wir im Netz hinterlassen. Ziel ist es, die Suchergebnisse optimierter anzuzeigen – positiv gedacht. Doch manipulieren uns die Algorithmen mit dieser Optimierung nicht?

Eine gemeinsame Studie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und der Landesanstalt für Medien NRW, die das Phänomen der politischen Meinungsbildung über Filterblasen auf der Plattform Facebook untersuchte, konnte dieses in 2017 nicht bestätigen. Einflussfaktoren auf die Meinungsbildung sind laut dieser Studie:

Persönlichkeitseigenschaften wie die Persönlichkeitsstärke oder das eigene politische Interesse und nicht-mediale Informationsquellen wie das persönliche Gespräch.

Ein Risikofaktor stellen Fake News und Social Bots dar, die Meinungen pushen, Diskussionen manipulieren und somit das wahrgenommene Meinungsbild beeinflussen können.

Wenn sich aber das Verhältnis von personalisierter und klassischer Nachrichtenquelle umkehrt, wenn sich also die Bedeutung klassischer Medien als Informationsquelle verringert, kann sich das auf die Meinungsbildung auswirken. (Prof. Dr. Birgit Stark, Pressemitteilung)

Auch andere Studien konnten zeigen, dass uns bei der Suche oder im News-Feed noch andere Meinungen angezeigt werden – die Bereitschaft, diese auch anzuklicken, allerdings geringer ist. Einen ausführlichen Beitrag über falsche Annahmen zur Idee der Filterblase hat Sebastian auf Motherboard geschrieben.

Betrachtet man das Netz ohne Filterblase, bleibt laut Sebastian die Öffentlichkeit übrig, die es auch vorher schon gab.

In dieser Öffentlichkeit werden jetzt politische Stimmen laut, die zuvor weniger beachtet wurden und ihre Kräfte schlechter bündeln konnten. Das ist eine neue Herausforderung für die Zivilgesellschaft. Wenn die Mär von der Filterblase platzt, kann die Debatte um den Wandel der Öffentlichkeit losgehen. (Sebastian via Motherboard)

Filter Clash statt Filterbubble

Bernhard Pörsken (Prof. für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen) sieht das Problem weniger in den von Algorithmen geschaffenen Filterblasen, sondern in einem Filter Clash. Damit meint er, dass unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen und genau diese Kollision erzeugt Emotionen.

Die Folge ist, dass eine Art information rage entsteht: Verstörung und Verunsicherung, Wut und Gereiztheit, die sich aus dem Aufeinanderprallen höchst unterschiedlicher Wahrnehmungen und Weltbilder ergeben. (Prof. Dr. Bernhard Pörsken, Vortrag auf der re:publica)

https://twitter.com/mi_kue/status/991672974733430785?ref_src=twsrc%5Etfw&ref_url=https%3A%2F%2Ftwitter.com%2Fmi_kue%2Fstatus%2F991672973387010049

Irren ist menschlich

Daher sollten wir uns bewusst sein, dass es im Internet leicht ist, zu jeder Meinung eine Bestätigung zu finden, daraus aber noch lange keine Wahrheit wird.

Zwei Pferde tragen Scheuklappen und gehen am ufer eines Sees entlang.

Scheuklappen ab, online wie offline

Verschließen wir uns nicht zu sehr in der eigenen Komfortzone, der eigenen Wohlfühloase. Blicken wir auch hinter den Horizont, lassen andere Meinungen zu, uns ab und zu auf Diskussionen ein. Dabei hilft es, neue Menschen zu treffen, ihnen zuzuhören und ihre Meinung zu hinterfragen. Neuigkeiten nicht immer nur aus derselben Quelle zu erfahren. Genau hier kann das Internet eine Chance sein, aktiv den Diskurs zu suchen. Es hilft auch, sich bewusst zu machen, dass die eigene Timline ein kleiner Ausschnitt der Gesellschaft ist und die dort vertretenden Meinungen nicht unbedingt repräsentativ sind, nicht „alle denken so“, wie es suggeriert wird.

Schmaler Grat zwischen Offenheit und Wahnsinn

Offen sein für andere Meinungen ist wichtig, doch auch der von Prof. Bernhard Pörsken beschriebene Filter Clash, ist ernst zu nehmen. Jeder einzelne von uns muss seinen eigenen Weg finden, um sich durch den Dschungel von Informationen, Fake News und emotionalisierter Meinungen zu bewegen und sich zu informieren, ohne sich ständig aufregen zu müssen.

Wir brauchen unsere Komfortzone genauso wie den Diskurs. Ebenso ist die Balance zwischen Hinsehen und Abschalten der Informationsquellen wichtig für das eigene Wohlbefinden.

Welche Möglichkeiten nutzt Du, um Dir die virtuelle Welt zurecht zu klicken?

Folgen, Liken, Blockieren, suchen, Hashtags nutzen …

Die Möglichkeiten sind zahlreich, um sich in den Sozialen Medien zurecht zu finden. Welche Tipps hast Du für uns, eine gute individuelle Wohlfühloase und Informations- bzw. Diskussionsplattform auf den Social-Media-Kanälen zu gestalten? Und das alles, ohne dich endlos auf den Kanälen zu verlieren? Wir sind gespannt auf Deine Kommentare!

Auf einem Tisch liegt ein altmodisches Handy neben einem modernen Smartphone. Vom Smartphone zurück zum einfachen Handy Eine Person sitzt auf einem Sessel und hat ein Buch auf dem Schoß liegen. Erzähl uns Deine Geschichte
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