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Vater und Sohn am Strand. Vater hält ein Handy in der Hand.

Foto: taniadimas / Pixabay.com

Medienerziehung: Wie beeinflussen Eltern die Handynutzung ihrer Kinder?

30 Juli 2020

Lesezeit 7 Minuten

Wie viel Bildschirmzeit ist für mein Kind ok? Ab wann darf mein Kind ein eigenes Smartphone besitzen? Soll ich Regeln für die Mediennutzung aufstellen und diese strikt durchsetzen? Oder vertraue ich auf die Medienkompetenz meines Kindes, das sich ja eh viel besser mit der Technik auskennt als ich? Medienerziehung kann kompliziert sein und stellt Eltern mitunter vor viele Fragen. Vor allem, wenn sie sich selbst gar nicht so gut auskennen mit den Geräten und ihren zahlreichen Funktionen. Also wie soll ich mich als Elternteil verhalten, um meinem Kind einen kompetenten Umgang mit Smartphone und Co mit auf den Lebensweg zu geben?

Der Einfluss von Eltern auf ihre Kinder

Dorothée Hefner hat Medienmanagement mit Nebenfach Psychologie studiert und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung. Zusammen mit zwei weiteren Wissenschaftler*innen hat sie untersucht, wie Eltern die Handynutzung ihrer Kinder beeinflussen – bewusst und unbewusst. Wir haben Dorothée Hefner zu dieser Frage interviewt.

Saskia Rößner: Frau Hefner, Sie haben untersucht, welchen Einfluss das Verhalten von Eltern auf die Handynutzung ihrer Kinder hat. Welche einzelnen Einflussfaktoren haben Sie untersucht?

Dorothée Hefner: Wir haben untersucht, (1.) ob Regelungen und Gespräche rund um das Handy mit problematischer Handynutzung von Kindern zusammenhängen, (2.) ob das eigene Handyverhalten der Eltern die Handynutzung der Kinder und Jugendlichen beeinflusst und (3.) ob die Bindung von den Kindern zu den Eltern einen Schutzfaktor darstellt in Bezug auf problematische Nutzung.

Medienerziehung: Vorbildfunktion, Erziehungsstil und Beziehung

Saskia Rößner: Welche dieser Faktoren hatten einen positiven, welche einen negativen Einfluss auf die Handynutzung der Kinder?

Dorothée Hefner: Zwei Faktoren hingen mit einer verstärkten problematischen Nutzung der Kinder zusammen: Das waren die problematische Nutzung der Eltern selbst und eine strenge Medienerziehung mit vielen Verboten und Überwachungen der Kinder. Ersteres ist leicht erklärbar, denn die Eltern haben natürlich eine Vorbildfunktion für die Kinder.

Frau sitzt mit zwei Kindern auf dem Sofa. Sie gucken zusammen auf ein Tablet.

Foto: Alexander Dummer / Unsplash.com

Zweites wirkt auf den ersten Blick überraschend, lässt sich aber auch erklären: Einerseits könnte es sein, dass erst das Verhalten der Kinder da war und erst dann die Regeln kamen. Also dass Eltern erst dann streng werden und einschreiten, wenn das Verhalten der Kinder schon aus dem Ruder gelaufen ist. Eine andere Erklärung ist, dass Regeln und Überwachung und damit tendenziell autoritäre Erziehungsstrategien oft nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. Insbesondere, wenn das Verhalten, um das es geht, von den Kindern auch unbemerkt ausgeübt werden kann.

Eine gute Beziehung ist das A und O

Saskia Rößner: Wie sollte Medienerziehung stattdessen aussehen?

Dorothée Hefner: Ein anderer Erziehungsstil ist erfolgreicher und dieser setzt auf gegenseitiges Vertrauen und den Willen, den Kindern zuzuhören, ihre Bedürfnisse zu sehen und Kompromisse zu finden. Kinder, die eine solche vertrauensvolle und wertschätzende Beziehung mit ihren Eltern haben, empfinden auch eine sicherere Bindung zu ihnen. Und unsere Studie zeigt: Je sicherer die Bindung, umso weniger problematisch die Handynutzung.

Dieses Ergebnis passt auch zu einem weiteren: Kinder, die mit ihren Eltern über das sprechen, was sie am Handy tun und auch mal gemeinsam draufschauen und dabei Spaß haben, weisen weniger problematische Handynutzung auf.

Zuletzt hing der Einsatz technischer Einschränkungen auf dem Handy wie das Blockieren jugendschutzgefährdender Inhalte mit einer geringeren problematischen Nutzung zusammen. Die Nutzung solcher technischen Strategien setzt natürlich eine gewisse Medienkompetenz bei den Eltern voraus und die Bereitschaft, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen und zeigt somit auch erzieherisches Engagement.

Saskia Rößner: Wie stark waren die elterlichen Einflüsse in ihrer Studie ausgeprägt?

Dorothée Hefner: Die Zusammenhänge waren schwach (etwa beim Einsatz technischer Einstellungen) bis mittel (etwa der Zusammenhang mit Verboten oder der Nutzung der Eltern selbst) ausgeprägt. Wenn man bedenkt, dass es noch viele weitere beeinflussende Faktoren gibt, die beispielsweise in der Freundesgruppe liegen oder auch in der Persönlichkeit des Kindes, sind die Ergebnisse aber in jedem Fall als aussagekräftig zu betrachten.

Familie im Bett. Ein Kind hält ein Handy in der Hand.

Foto: Jonathan Borba / Unsplash.com

Abseits der Medienerziehung: Freundeskreis und soziale Normen

Saskia Rößner: Können Sie denn abschätzen, wie stark diese anderen Einflussfaktoren sind?

Dorothée Hefner: Wir wissen aus eigenen und anderen Untersuchungen, dass die Freundesgruppe oder auch die sozialen Normen in der Schule einen starken Einfluss haben. Insbesondere in der Altersgruppe von Jugendlichen, in der die soziale Zugehörigkeit eine immens große Rolle spielt.

Wenn die Normen hinsichtlich einer bestimmten Art von Nutzung gesetzt sind und sie vielleicht auch den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen entsprechen, passen sich natürlich viele Kinder und Jugendliche an. Aber auch Erwachsene tun das mitunter. Solche Normen sind beispielswiese das Spielen bestimmter Onlinespiele, die ständigen Erreichbarkeit via WhatsApp oder das Kommentieren von Fotos und Videos anderer. Die sozialen Normen sind allerdings nur die eine Seite.

Die andere ist, wie Menschen mit Normen und einem gewissen Anpassungsdruck umgehen. Und  da kommen die Eltern wieder ins Spiel. Sie können bereits viele Jahre vor der ersten Handynutzung ihres Kindes mitbeeinflussen, ob das Kind sich zu einer stabilen Persönlichkeit entwickeln kann, die sich auch mal Normen widersetzen kann. Das ist natürlich vor allem wichtig, wenn die Kinder merken, dass bestimmte Verhaltensweisen ihnen selbst oder anderen nicht guttun.

Handynutzung und Medienerziehung: Tipps für Eltern

Saskia Rößner: Wie sollten Eltern sich verhalten, wenn sie einer problematischen Handynutzug ihrer Kinder vorbeugen möchten?

Dorothée Hefner: Sie sollten versuchen, mit dem Kind im Gespräch zu bleiben. Und das Kind zu beobachten, herauszufinden, was dem Kind Stress verursacht und was es entspannt. Eine wirklich krankhafte problematische Handynutzung kommt selten aus dem Nichts, sondern ist oft ein Symptom, das zeigt, dass irgendetwas im Leben nicht rund läuft.

Ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Selbstregulation des Kindes ist außerdem, Gefühle, die vor, während und nach der Handynutzung auftreten (oder einer bestimmten, problematischen Art der Nutzung), zu benennen und nach ihnen zu fragen. So leitet man das Kind zur Selbstbeobachtung an. Es kann lernen herauszufinden, welche Bedürfnisse hinter seiner Nutzung stehen und ob es sie damit befriedigen kann oder vielleicht auch nicht.

Kind mit Handy

Foto: 46173 / Pixabay.com

Das Ziel ist, dass sich Kinder und Menschen allgemein ihrer Motive, Bedürfnisse und auch emotionalen Folgen von Verhalten bewusst werden. Und erst diese Bewusstheit erlaubt es uns, unser Verhalten zu verändern hin zu einer achtsamen, selbstbestimmten Nutzung. So helfen wir unseren Kindern also bei der Entwicklung ihrer Selbstregulation, die sie spätestens brauchen, wenn sie ganz frei über ihre Nutzung entscheiden können.

Ganz der Selbstregulation überlassen würde ich allerdings gerade jüngere Kinder nicht. Hier ergeben gewisse Regeln natürlich schon Sinn. Beispielsweise, das Handy nicht mit ins Bett nehmen zu lassen. Wichtig bei der Festlegung von Regeln ist, dass sie begründet werden. Sie müssen dem Kind nicht unbedingt gefallen, aber sie sollten sie verstehen können.

Wenn die Handynutzung zum Problem wird

Saskia Rößner: Wie sollten Eltern sich verhalten, wenn sie merken, dass ihr Kind bereits einen problematischen Handygebrauch hat?

Dorothée Hefner: Auch hier würde ich zunächst das Kind beobachten, das Gespräch suchen, möglichst Druck und Panik rausnehmen. Versuchen, mit dem Kind gemeinsam herauszufinden, was genau den Reiz ausmacht und welche emotionalen Lagen im Spiel sind. Dies führt womöglich und je nach Stärke der problematischen Nutzung nicht zum Ziel, weshalb in solchen Fällen immer dazu geraten wäre, sich Hilfe zu holen von entsprechenden Beratungsstellen, Ärzt*innen oder Psycholog*innen.

Saskia Rößner: Vielen Dank für das Interview!

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