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Vier Menschen stehen an einer Wand und gucken alle in ihr Smartphone.

Einfach komplizierte Kommunikation via WhatsApp & Co

04 Oktober 2018

Es gab einmal eine Zeit,

da kommunizierten Menschen ausschließlich persönlich, von Angesicht zu Angesicht. Stimmlage und Mimik verrieten viel über die Intention des Sprechenden. In Briefen werden die Worte häufig mit Bedacht gewählt und es ist dem Schreibenden bewusst, dass die Antwort nicht umgehend zu erwarten ist. Beim Telefonat verrät die Stimme viel über die Bedeutung der Worte, auch wenn die Mimik fehlt.

Kurze Textnachrichten (z.B. SMS), ohne Stimme, ohne Bild, möglichst knapp gehalten, stellen eine Herausforderung für eine verständliche Kommunikation dar.

Auf die SMS mit begrenzter Zeichenzahl und Kosten pro Nachricht folgten Messenger-Dienste, die es auf einmal ermöglichten, kostenfrei über das Datenvolumen zu kommunizieren. In den letzten Jahren haben sich diese Dienste weiter entwickelt, immer mehr Möglichkeiten, um miteinander zu kommunizieren, die weit über kurze Textnachrichten hinausgehen.
(Quelle: Sascha Foerster im Webinar bei DigiKids)

Alle Messenger-Dienste und insbesondere WhatsApp bieten zahlreiche Vorteile und bringen Probleme mit sich, die wir uns teilweise selbst machen. Mit diesen selbst gemachten „Kommunikations-Hindernissen“ befassen wir uns in diesem Beitrag.

WhatsApp ist Teil unserer Kommunikationskultur,

schreibt Ben Wockenfuss auf DigiKids. In seiner täglichen Arbeit mit Erziehern und Erzieherinnen, Eltern und Kindern kommt er an WhatsApp nicht vorbei. Daher lud er zur Diskussion im Webinar über den „(Un)-Sinn von WhatsApp“ ein. Es ist tatsächlich schwierig, sich bewusst dagegen zu entscheiden, dort zu sein, wo subjektiv empfunden alle sind.

Einfach mal eben schnell etwas mitteilen

Es ist so wunderbar einfach. Ein kurzer Gedanke kann sofort mit einem Kontakt oder auch mehreren geteilt werden. Der Kopf ist gleich wieder frei für neue Gedanken, die anderen antworten, wenn sie Zeit haben.

Bei einfachen Nachrichten funktioniert das meistens. Sobald das Gesprächsthema komplexer oder emotional wird, wird auch die Kommunikation komplizierter. Emojis können helfen oder alles schlimmer machen, wenn diese unterschiedlich interpretiert werden. Missverständnisse sind nicht selten und die Klärung kostet häufig mehr Zeit und Nerven, als das ursprüngliche Thema erfordert.

Erwartungshaltung

Der Vorteil, jederzeit und überall eine Nachricht absenden zu können, ist zugleich ein Nachteil: Du könntest jederzeit rund um die Uhr, egal wo du bist, auch antworten. Tatsächlich gibt es gewisse Erwartungen, je nach Uhrzeit, eine sofortige oder zumindest recht zeitnahe Antwort zu bekommen.

Da die meisten von uns nicht nur mit einer Person via Messenger kommunizieren, sondern mit mehreren Personen interagieren oder auch in mehreren Gruppen aktiv sind, können da schon mal eine ganze Menge Nachrichten zusammen kommen, die beantwortet werden wollen. Das kann Stress verursachen.

Selektion kann diesen Stress vermeiden. Nicht jede Nachricht erfordert eine sofortige Antwort, andere dagegen sind dringlicher. Manche Chats haben individuell eine größere Relevanz als andere. Aber auch innerhalb der Chats, insbesondere Gruppenchats, gibt es Nachrichten, die nicht alle nachgelesen werden müssen. Hier gilt es eine individuelle Strategie zu entwickeln, die für dich wirklich wichtigen Nachrichten nicht zu verpassen und unwichtiges auch mal zu ignorieren.

Zwei Hände halten ein Smartphone hoch.

Warum antwortet er oder sie nicht? – Die Krise

Selektion ist gut, aber oft beschäftigen uns gerade die für uns wichtigen Chats am meisten. Hier kommen die „Häkchen des Wahnsinns“ ins Spiel – Warum antwortet er oder sie nicht? Zu wissen, dass der Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin die Nachricht gelesen hat ohne zu antworten, kann eine Menge auslösen.

Schauen wir uns kurz am Beispiel von WhatsApp an, was die verschiedenen Häkchen bedeuten:

  • Ein graues Häkchen = Deine Nachricht wurde versendet.
  • Zwei graue Häkchen = Die Nachricht ist angekommen. Das Smartphone war online, ohne dass es dafür eingeschaltet werden musste.
  • Zwei blaue Häkchen = Die Nachricht wurde gelesen.

So lange du nicht weißt, dass deine Häkchen blau sind, ist deine Welt noch in Ordnung. (Zitat einer Teenagerin)

Wenn zwei blaue Häkchen auf dem Display leuchten und keine Antwort kommt, was dann? Je sehnsüchtiger wir auf eine Antwort warten, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Gedanken in die folgenden Richtungen gehen:

  • Er / Sie hat es doch gesehen!
  • Habe ich etwas Falsches geschrieben?
  • Ist er / sie jetzt verletzt oder böse auf mich?
  • Interessiert er / sie sich nicht für mich?
  • Bin ich ihm / ihr egal?

Selbstzweifel und Wut auf die andere Person schüren Missverständnisse im weiteren Gespräch. Unsicherheit bei einer Person und Unklarheiten zwischen beiden verkomplizieren die Kommunikation. Je unklarer ist, was beide einander bedeuten, desto größer sind die Unsicherheit und zugleich das Bedürfnis nach Klärung der Situation.

WhatsApp Nutzung – Am Rande des Wahnsinns

Aus dieser unsicheren Situation heraus entwickeln einige von uns Strategien in der WhatsApp Kommunikation, die möglicherweise mehr Stress verursachen, als ihn zu vermeiden.

Die Optionen „zuletzt online“ und die „Lesebestätigung“ werden beispielsweise flexibel ein- und ausgeschaltet. Beide Funktionen geben Auskunft über das Online-Verhalten. Die andere Person erfährt nicht von dir, dass du die Nachricht bereits gelesen hast oder ob du in letzter Zeit online warst. Möglicherweise bist du ja gerade intensiv beschäftigt und hast das Smartphone sogar ausgeschaltet. Der Haken: Du hast auch keine Informationen mehr. Sind beide Funktionen deaktiviert, ist die einzige Information: Du hast keine Antwort erhalten. Es bleibt offen, ob die andere Person, eine Möglichkeit hatte, die Nachricht zu lesen oder sie sogar bereits gelesen hat. Eine weitere Option wäre, eine Nachricht in der Vorschau zu lesen, sofern das Smartphone dies nicht einschränkt.

Ein subjektiv wichtiger Grund für eine strategische Nutzung kann sein, dass man sich erst mit einem Freund oder einer Freundin über die nächste eigene Reaktion beraten muss. Dazu braucht es möglichst viele Informationen, ohne selbst welche preiszugeben, vor allem nicht, dass man bereits die Nachricht gelesen hat. Als zusätzliche Information, wird das bisherige Schreibverhalten analysiert, zeitlich und inhaltlich. Es wird über die Kommunikation kommuniziert, anstatt direkt zu antworten. Währenddessen wartet die andere Person und hat Zeit, sich eigene Gedanken zu machen.

Ist es sinnvoll weitere Personen zu einem Gespräch hinzuzuziehen? Erleichtert oder verkompliziert das die Gesprächssituation? Manchmal ist es dem Gesprächspartner oder der Gesprächspartnerin sogar klar, dass er oder sie mit mehreren Personen schreibt.

Der Komplexität der möglichen Analysen des Verhaltens werden wir mit dieser Darstellung bei weitem nicht gerecht. Die anschließend angestellten Interpretationen dieser Experten und Expertinnen bleiben allerdings meist ungeprüfte Hypothesen.

Das „Warten auf den Anruf“ von früher ist heute deutlich komplexer. Was tut der oder die andere gerade? Was denkt die andere Person über mich?

EIne Frau liegt mit dem Bauch auf dem Bett. Sie packt sich mit der rechten Hand an die Stirn und sieht verzweifelt oder erschöpft aus.

Wie kann eine vertrauensvolle Messenger-Kommunikation gelingen?

Der Weg zu einer vertrauensvollen Kommunikation führt über Kommunikation! Egal, ob es um Freundschaften oder Beziehungen geht!

Du kannst dir Stunden den Kopf darüber zerbrechen oder hundert Leute fragen, was eine Nachricht oder das Ausbleiben einer Nachricht zu bedeuten hat. Die wahre Antwort kennt nur eine Person: dein Gesprächspartner oder deine Gesprächspartnerin!

Daher kann es hilfreich sein, gemeinsam über das Kommunikationsverhalten zu sprechen, sich mal darüber austauschen, warum manche Nachrichten nicht direkt beantwortet werden, ohne den Vorwurf zu machen: „Warum antwortest du nie?“

Transparenz gegenüber den engsten Kontakten, wann persönliche Online-Zeiten sind, kann die Kommunikation entspannen, insbesondere gegenüber Dauer-Onlinern. Warten lassen bedeutet nicht immer Ignoranz, Desinteresse oder gar, dass jemand verärgert ist. Oft wird eine Nachricht tatsächlich kurz gelesen, es bleibt aber keine Zeit für eine ausführliche Antwort.

Das Allerwichtigste neben einer klaren Kommunikation von Bedürfnissen sind Vertrauen und Gelassenheit! Interpretiere nicht zu viel und gehe nicht immer gleich vom Negativen aus! In vielen Fällen bedeutet nichts auch einfach gar nichts. Es ist auch hilfreich, eindeutiger darin zu sein, wann eine vertrauliche Gesprächssituation besteht, ohne dass andere Freunde mitlesen.

Es kann außerdem sehr schön sein, nicht permanent erreichbar zu sein. Wir müssen nicht rund um die Uhr am Leben anderer teilhaben. Die Freiheiten, die du anderen lässt, indem du nicht immer eine sofortige Reaktion erwartest, ermöglichen auch dir mehr Freiheiten, dein eigenes Leben zu genießen.

Mehr zum Thema digitale Kommunikation

Auf webcare+ haben wir bereits zwei interessante Beiträge zu diesem Thema:

Der Artikel „Hilfe meine Freunde lassen mich nicht schlafen“ dreht sich um die nächtliche Kommunikation. Außerdem berichtet Cynthia in einem Gastbeitrag von ihrer Selbsterfahrung, in der Fastenzeit auf WhatsApp zu verzichten, und wie dies im Anschluss ihr Kommunikationsverhalten verändert hat.

Ein stark bearbeitetes Frauengesicht mit blauer Hautfarbe und blauen Haaren. Um ihren Kopf kreisen Social Media Symbole. Mein perfektes Ich in der digitalen Scheinwelt Ein Weg führt durch einen Wald mit dichtem Nebel. Mobbing, Computerspiele und Freundschaft
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